Kapitel 85 - Vorhut

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„Ernsthaft?! Ihr hockt hier auf euren Campingstühlen, als wäre das ein Grillfest, während da draußen diese verdammten Aliens auf uns zustürmen!“ Wütend, fassungslos und voller Adrenalin stand Ronald Barton vor ihnen. Sein Gesicht war rot vor Zorn, seine Hände ballten sich zu Fäusten, als könne er das Verhalten der anderen physisch nicht ertragen. Vor ihm saßen vier Männer in schwarzer, taktisch dezenter Rüstung. Zwei von ihnen tranken Kaffee aus Thermobechern. Einer hatte die Beine übereinandergeschlagen und analysierte ruhig ein Hologramm.

Keine Spur von Panik. Keine Eile. Nur abwartende Konzentration.

„Flagman“, sagte Therion ruhig, ohne aufzustehen oder den Blick zu heben. „Wir sind die letzte Welle. Wir greifen ein, wenn etwas kommt, das die anderen nicht stoppen können.“ Seine Stimme klang ruhig und fast gelangweilt, aber sie trug eine unbestreitbare Autorität.

„Jeder von uns nimmt die Gegner, die zu ihm passen. Für dich … sollte dieses kleine Krebsvieh da vorne genau das Richtige sein.“ Therion deutete mit einem Finger auf eine Kreatur in mittlerer Entfernung: ein schnappendes, mutiertes Alien, das an einen gepanzerten Skorpion erinnerte. Barton biss die Zähne zusammen. Sein Blick wanderte von der Kreatur zu Therions Gruppe und wieder zurück.

„Das passiert“, murmelte er schließlich bitter, „wenn man nicht mit stolzen Republikanern, sondern mit Landesverrätern zusammenarbeitet.“

Er drehte sich schnaubend um und stapfte davon, wobei jeder Schritt ein Tritt gegen seine Wut war.

Am nächsten Container angekommen, riss er die Tür eines Waffenlagers auf. Er ignorierte die Vorschriften, die Scanner und die Registrierungsprotokolle, griff sich einen Granatwerfer, kontrollierte grob das Magazin und warf sich das Ding über die Schulter.

„Wenn ihr keine Eier habt, dann werde ich eben allein etwas unternehmen.“

Therion hob eine Augenbraue, sah kurz in den Himmel, wo erste dunkle Silhouetten zwischen den Rauchschwaden sichtbar wurden. Dann sagte er leise, fast zu sich selbst:

„Du wirst schon früh genug begreifen, dass es nicht um Stolz, sondern ums Überleben geht.“

Therion, Shazad und Jareth saßen nebeneinander auf einer erhöhten Plattform mit Blick auf das Gelände und erwarteten gespannt und wortlos, was geschehen würde. Die untergehende Sonne warf lange Schatten, während sich der Himmel in ein unheilvolles Orange tauchte.

Shazad hatte in Rekordzeit eine hochkomplexe Computeranlage aufgebaut. Vor ihm flackerten drei Monitore, während mehrere Mini-Drohnen lautlos durch die Luft kreisten. Über ein Headset war er mit ihnen verbunden; seine Augen sprangen von Bild zu Bild. Er beobachtete das Geschehen aus allen denkbaren Winkeln und filterte Bewegungsmuster, Temperaturspitzen sowie elektromagnetische Signaturen heraus. Für ihn war das Schlachtfeld ein digitales Schachbrett, und er plante bereits den nächsten Zug. Jareth saß etwas abseits, die Ellbogen auf den Knien abgestützt und das Gewehr zwischen den Beinen verkeilt. Seine Finger trommelten ungeduldig auf den Lauf. Es war ein schweres, verlässliches und durchschlagskräftiges Modell. Er war der Typ, der nicht viel redete, aber mit einem einzigen Schuss mehr sagte als andere mit hundert Worten. In seinen Augen lag die stille Entschlossenheit eines Mannes, der wusste, dass der Moment bald kommen würde, in dem er handeln musste. Therion hingegen war scheinbar unbewaffnet. An seinem Körper war kein Metall, keine Klinge und kein Lauf zu sehen. Doch in der Gruppe wusste jeder, dass gerade das ihn zur größten Gefahr machte. Seine Waffen lagen tiefer, unter der Haut, in seinem Blick, vielleicht sogar jenseits davon. Er saß ruhig, fast meditativ, die Hände ineinander verschränkt. In der Luft um ihn herum lag jedoch eine Spannung, als könnte sie jeden Moment brechen.

Der Kampf tobte bereits seit einer ganzen Weile. Die Luft war erfüllt vom Klang berstender Energie, metallischer Klingen und dem Grollen explodierender Granaten. Rauchschwaden und flackernde Lichtblitze zuckten über das weite Schlachtfeld, als wäre ein Gewitter aus Feuer und Stahl darüber hinweggezogen. „Es werden nicht weniger“, murmelte Shazad, während er mit einem schnellen Wisch über das Touchfeld seines Tablets eine neue Drohne in die Höhe schickte. Seine Stimme blieb ruhig, doch seine Finger flogen über die Konsole, als würde er ein gefährliches Orchester aus Maschinen dirigieren. Therion stand unbewegt neben ihm, die Augen zusammengekniffen. Er sog die Luft ein, als könne er die Richtung des kommenden Schmerzes riechen. Dann rümpfte er die Nase. „Das ist nur die Vorhut“, sagte er leise, nicht aus Angst, sondern mit der ernüchterten Sicherheit eines Mannes, der wusste, was noch kommen würde. Und als hätte das Schicksal nur auf seine Worte gewartet, bebte der Boden. Mit einem donnernden Krachen landete Bera, ein Koloss von einem Wesen. Es war zwei Meter achtzig groß, sein Leib war gepanzert mit organischen Schuppen, zwischen denen glühende Energie pulsierte. Sein Aufprall schleuderte Trümmer und Gegner gleichermaßen zur Seite. Die Erde vibrierte unter seinem Gewicht und sein Brüllen übertönte für einen Moment sogar das Kreischen der Waffen. Er war zurück, und er hatte noch lange nicht genug. Ohne zu zögern sprang Therion auf. In seinen Bewegungen lag keine Panik, sondern nur instinktive Entschlossenheit. 

„Ich sage ja. Vorhut“, wiederholte Therion trocken, während er bereits loslief. Seine Schritte waren schnell und präzise, als würde er durch einen vorgezeichneten Pfad tanzen. 

Jareth hingegen ließ sich nicht hetzen. Mit gewohntem Gleichmut stand er auf, hob sein Gewehr und ging in seinem eigenen Tempo den anderen hinterher. Während links und rechts kleinere Triklin-Soldaten angriffen, nahm er sie nacheinander ins Visier. Jeder Schuss war ein Treffer. Kein Lärm, keine Effekte, nur Effizienz.

In der Ferne krachte Bera erneut in eine Wand aus Flammen, während Therion wie ein Schatten zwischen seinen Schlägen hindurchglitt. Die Schlacht hatte sich verändert, sie war persönlicher geworden. „Ey, Bera! Wir waren noch nicht fertig!“, rief Therion und seine Stimme durchdrang das Schlachtgetöse wie ein Pfeil. Der gigantische Riese drehte sich um und zeigte ein höhnisches Grinsen. Seine Augen glühten wie Kohlen, und ohne ein Wort zu sagen, griff er sofort nach Therion, mit der Wucht eines fallenden Turms. Therion reagierte instinktiv. Er sprang zur Seite. Eine Staubwolke wirbelte auf, als die massive Hand Bera in den Boden krachte. Noch während der Aufprall nachhallte, setzte Therion zum Sprint an. Seine Bewegungen waren flüssig und nahezu übermenschlich präzise. Er nutzte Trümmer, feindliche Körper und das Terrain selbst, um sich wie ein nicht zu fassender Schatten elegant um Bera herumzubewegen. Während er rannte, begann er sich zu verändern. Sein Körper spannte sich, Muskeln wanderten unter der Haut, Knochen knackten, seine Haut wurde dunkler und rauer und wuchs zu einem fellartigen Panzer. Die Transformation dauerte keine fünf Sekunden, dann war er da: Therion in Bestiengestalt. Er war vierbeinig, hatte verlängerte Reißzähne, war mit Krallen bewährt und hatte leuchtende Augen, die ein Raubtierverhalten widerspiegelten, das nur im Kampf erwachte. Mit einem gewaltigen Satz sprang er Bera auf den Rücken. Seine Krallen gruben sich in das schuppige Fleisch des Giganten und ohne zu zögern versenkte er seine Zähne in Beras Schulter. Der Riese brüllte vor Schmerz und versuchte, Therion abzuschütteln, doch dieser hielt sich fest wie ein wildgewordener Dämon.

Gleichzeitig trafen Flagmans Granaten frontal mit voller Wucht. Drei leuchtende Projektile zündeten nacheinander direkt vor Beras Brust. Der Aufprall schleuderte Funken, Gestein und Energie in alle Richtungen. Die Schockwellen ließen sogar umliegende Kämpfer kurz taumeln. Rauch und Feuer hüllten den Koloss ein, während er sich neu orientierte – jetzt zwischen Therions Bissen und Flagmans unermüdlichem Beschuss. 

Das Kampffeld veränderte sich.

Was eben noch ein chaotisches Schlachtgetümmel voller Staub, Rauch und Geschrei gewesen war, wurde nun wie von einer unsichtbaren Macht neu geformt. Rund um Bera lichtete sich das Feld allmählich. Die Triklin, die ihn umgeben hatten, wichen zurück, als ob sie instinktiv erkannten, dass hier nun etwas Größeres geschehen würde. Zurück blieb eine Art freigelegte Arena, ein Kreis aus Zerstörung und Stille inmitten des Tumults.

Der Boden bebte leicht. Im Hintergrund, jenseits der aufgewirbelten Staubwolken und Flammen, kroch einer der Bohrarme der Shenth näher, ein titanisches Konstrukt aus metallischen Gliedern und rotierenden Elementen. Sein Ziel war klar: den Boden von Kansas aufzubrechen, um das darunterliegende Lumpanid-Gestein zu erreichen. Ein solches Ereignis konnte das gesamte Gebiet in ein Trümmerfeld verwandeln, und das war allen Beteiligten bewusst. 

Die Triklin strömten weiterhin in Massen, unablässig wie ein endloser Strom aus Fleisch und Metall. Nun konzentrierte sich Jareth jedoch auf eine neue Aufgabe. Er positionierte sich strategisch wie ein Wächter an den Toren einer Festung. Jeder ihrer Schritte war koordiniert, jedes Manöver abgestimmt. Jareth richtete sein Gewehr immer wieder auf Feinde, die versuchten, die Linie zu durchbrechen. Mit ruhiger Präzision drückte er ab: Kopfschuss, Brustschuss, dann ein gezielter Streuschuss auf eine Gruppe heranrasender Triklin. Sein Blick war kalt und kontrolliert, als wäre all das nur eine Übung.

Er hielt die Linie. Kein Feind kam durch.

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