Kapitel 89 - Pentagon

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Die Anzeigen im Raum flackerten unruhig, als könnten sie die Gewalt und das Chaos, die sie zeigten, kaum verarbeiten. Auf der zentralen Konsole glühte eine Weltkarte, übersät mit pulsierenden Markierungen – jede ein Brennpunkt der Zerstörung.

In Blackchester ragten die Türme der Skyline wie gefällte Giganten aus einer Wolke aus Staub und Rauch. Mehrere Wolkenkratzer waren bereits eingestürzt und ihre Überreste stürzten in die Straßenschluchten. Auf den verzerrten Kamerabildern war der wütende Nahkampf zu sehen: ein wildes Durcheinander aus Feuer, Funken und Energieschüben. Doch trotz der unübersichtlichen Lage hielten die Section-Shield-Truppen erstaunlich gut stand und drängten die Shenth Schritt für Schritt zurück.

Viktoria hingegen bot ein anderes Bild. Hier schienen die Angreifer mit fast beunruhigender Zielstrebigkeit vorzugehen. Sie ignorierten weite Teile der Stadt und konzentrierten sich auf den Marker im Zentrum, als wäre er der Schlüssel zu allem. Der Rest der Straßen blieb wie eine gespenstische Kulisse zurück: unberührt, aber vom drohenden Untergang überschattet.

Kansas City dagegen … Die Bilder waren kaum zu ertragen. Ganze Stadtviertel existierten nur noch als Trümmerfelder, Feuerzungen leckten an zerborstenen Fassaden und der Himmel war schwarz vor Rauch. Selbst aus der Distanz konnte man bezweifeln, dass nach dem Ende der Schlacht hier noch eine Stadt übrig bleiben würde.

In der trockenen Weite nördlich von Mahan tobte die wohl größte Schlacht auf Terra. Die Aufnahmen schwankten zwischen Staubstürmen, grellem Mündungsfeuer und dem donnernden Aufeinandertreffen gigantischer Streitkräfte.

Björvika, weit oben in den eisigen Skandlands, trug ihre eigenen Narben. Die Straßen waren von Trümmern und gefrorenem Blut gezeichnet, doch die klirrende Kälte erwies sich als unerwartete Waffe. Die Shenth schienen langsamer und träger, als würde das Klima selbst gegen sie kämpfen. Massilia, die stolze Perle am Meer, glänzte nicht mehr. Ihre weißen Fassaden waren vom Rauch verschluckt und ihre Hafenanlagen lagen in Trümmern. Die Stadt war gefallen, und damit hatte das Kingdom einen seiner schönsten Orte verloren.

Und dann war da Veligradon. Die mächtige Hauptstadt von Novoslavia erschien auf den Anzeigen, obwohl sich ihre Regierung bisher gern von den Angelegenheiten der westlichen Welt distanziert hatte. Jetzt loderte auch hier der Kampf, als hätte die Politik keine Bedeutung mehr, wenn die Shenth kamen.

Die Weltkarte flackerte erneut, und mit ihr kehrte das Gefühl zurück, dass die Zeit für die Menschheit überall auf Terra abgelaufen war.

Präsident Ford stand am Kopfende des Raumes, sein Gesicht im flackernden Licht der Monitore hart gezeichnet. Neben ihm stand Ward Vanguard, breit gebaut und unbeweglich wie ein Fels. Etwas dahinter saß Pendrick, der schweigend Notizen machte. Die Luft war erfüllt von einem dumpfen Summen, dem unaufhörlichen Rauschen der Kommunikationskanäle, vermischt mit gedämpften Stimmen aus entfernten Räumen.

In wenigen Minuten sollte die nächste weltweite Schaltkonferenz der Regierungschefs beginnen. Doch Vanguard trat einen Schritt näher an Ward heran, als könne er die Stille zwischen ihnen nicht länger ertragen.

„Was mache ich hier?“ Seine Stimme war leise, aber schneidend. „Ich könnte draußen helfen. Hier? Hier warte ich nur.“

Ward wandte sich ihm zu. Seine Augen wirkten müde, aber fest. „Niemand ist sicher, Vanguard. Auch wir nicht.“

Er wies mit einem kurzen Nicken auf den Hauptbildschirm, auf dem Madison Town zu sehen war: Straßen voller Rauch, grelles Licht von Explosionen und hastige Bewegungen bewaffneter Trupps.

Dann änderten sich die Anzeigen plötzlich. Eine rote Notmeldung schob sich über die Bilder. Ward nahm den eingehenden Anruf sofort an. Auf dem Bildschirm erschien ein massiger Mann in Paladinenrüstung. Sein breites Gesicht lag im Schatten seines Helms.

„Wir haben im Kingdom ein Problem“, sagte er mit einer Stimme, die wie tiefes Grollen klang.

„Peter de Vries?“ Wards Blick verengte sich. „Was ist los?“

De Vries, der unter dem Codenamen „Tank“ bekannt war, senkte leicht den Kopf, als würde er das Gewicht seiner Worte selbst spüren. „Wir haben eine Revolution. Das Projekt Sainted Order ist gestartet. Eine Gruppe, die das Kingdom zerbrechen möchte. Sie starten im ehemaligen germanischen Gebiet. In Berolinum, Treverorum, Colonia, Brassport und Rynstadt sind die Straßen voller Menschen, die gegen die Regierung und somit gegen uns protestieren.“

Es wurden Bilder von brennenden Straßenzügen, von Menschen, die Barrikaden errichteten, sowie von Polizisten gezeigt, die im Regen von Pflastersteinen und Molotowcocktails zurückwichen. Schüsse hallten, irgendwo brach ein Gebäude ein. Bürgerkrieg.

Ward trat einen Schritt zurück, als hätte ihn ein Schlag getroffen. „Fuck!“ Das Wort schnitt scharf durch die Luft, und augenblicklich verstummte jede Bewegung im Raum.

„Es wird noch schlimmer …“ De Vries’ Stimme klang nun gedämpft und schwer. „Es gibt Hinweise darauf, dass die Citadel sie unterstützt. Wir hatten sie wegen ihrer faschistischen Tendenzen im Auge, aber … wir verlieren die Kontrolle.“

Ward richtete sich wieder auf und trat näher an den Bildschirm. „Ja, scheiße.“ Er atmete tief durch. „Wir haben keine Möglichkeit, jetzt direkt einzugreifen. Aktivieren wir die Custodians und … Peter, du musst mit der alten Generation deiner Paladine reden.“

De Vries nickte kurz, fast mechanisch, und beendete die Verbindung. Das Bild erlosch. Für einen Augenblick blieb im Raum nur das Summen der Geräte zurück – und das beklemmende Gefühl, dass der Mann auf der anderen Seite der Leitung gerade etwas in sich hat sterben lassen.

„Woher?“

Es blieb totenstill im Raum.

„WOHER?“ Fords Stimme donnerte, diesmal lauter, verzweifelter, beinahe hysterisch. Seine Hände zitterten, und die Adern an seinem Hals traten hervor. „Wussten die, dass die Shenth angreifen würden?“ Er verlor vollständig die Fassung. Die Selbstbeherrschung, die ihn sonst auszeichnete, zerfiel innerhalb weniger Sekunden.

Pendrick trat hastig zu ihm, legte eine Hand auf seine Schulter und sprach in ruhigem, beinah beschwichtigendem Ton auf ihn ein. Doch die Worte waren zu leise und zu schnell, niemand im Raum konnte genau verstehen, was er sagte.

Dann wechselte die Aufmerksamkeit abrupt zum Hauptbildschirm. Die Übertragung aus Madison Town zeigte nun Hunderte, nein, Tausende Triklin, die sich wie eine wogende Flut durch die Straßen bewegten. Ihre Bewegungen waren ruckartig und unheilvoll synchronisiert.

Plötzlich ertönte ein Dröhnen, tief und markerschütternd wie das Echo eines uralten Kriegshorns, das direkt in den Knochen widerhallte. Das Geräusch schnitt durch die Luft und ließ selbst die erfahrensten Soldaten unruhig werden.

„Sie kommen“, sagte Ward knapp, seine Stimme klang angespannt. Dann wandte er den Kopf leicht zu Vanguard. „So schnell wollte ich nicht, dass du wichtig wirst.“ Er atmete einmal tief ein. „Vanguard, geh raus und verteidige das Pentagon.“


Ohne ein weiteres Wort drehte sich Vanguard um und stürmte aus dem Taktikraum. Draußen im Korridor erwarteten ihn bereits mehrere hochrangige Section-Shield-Generäle. Ihre Mienen waren ernst, ihre Bewegungen knapp und zielgerichtet.

„Sie greifen hier an“, informierte Vanguard knapp.

Einer der Generäle hob sofort den Kopf, aktivierte seinen Synect-Link und übermittelte die Nachricht drahtlos an seine Kameraden. Während Vanguard und seine Begleiter die Flure entlangrannten, schlossen sich ihnen an jeder Kreuzung weitere Soldaten und Offiziere an. Der Tross wuchs zu einer kampfbereiten Formation an.

Der Befehl wiederholte sich über Synect von Mann zu Mann wie ein unsichtbares Nervensystem, das in Sekundenschnelle den gesamten Komplex erreichte.

Schließlich öffnete sich vor ihnen die massive Eingangshalle, die voller Custodians war.

„Go!“, rief Marcus Vale, einer der Generäle, mit schneidender Stimme.

Wie auf ein einziges Kommando richteten sich alle Custodians auf. Ihre Köpfe hoben sich und ihre Augen glühten synchron in einem grellen, bedrohlichen Gelb auf. Dann öffnete sich das Haupttor und die stählernen Kolosse marschierten hinaus, Schritt für Schritt. Jeder Schritt war wie ein Trommelschlag im Herzen der Verteidiger. Hinter ihnen formierte sich eine geballte Armee aus Section-Shield-Soldaten, angeführt von Vanguard.

Draußen trafen sie sofort auf die vordersten Wellen der Triklin. Die Kreaturen waren klein, aber schnell, bissig und unbarmherzig. Sie prallten auf die Custodians, versuchten, zwischen ihnen hindurchzubrechen, und warfen sich auf die Soldaten.

Draußen trafen sie sofort auf die vordersten Wellen der Triklin. Die Kreaturen waren klein, aber schnell, mit krallenartigen Gliedmaßen und Augen, die wie glühende Funken in der Dunkelheit loderten. Sie stürmten vorwärts, begleitet von einem kreischenden Chor, der den Verteidigern das Blut in den Adern gefrieren ließ.

Die Custodians rammten ihre schweren Beine in den Asphalt; jeder Schritt war ein dumpfer Schlag, der den Boden erzittern ließ. Mit ihren metallenen Fäusten zerschmetterten sie die Körper der Triklin in einem einzigen Schlag, rissen Gliedmaßen ab und schleuderten die Bestien meterweit durch die Luft. Zwischen den stählernen Giganten zogen die Section-Shield-Soldaten ihre Linien und feuerten mit Präzision Salven aus Sturmgewehren und Energiewaffen in die heranstürmende Flut.

Doch die Triklin ließen sich nicht aufhalten. Sie krochen über die Leichen ihrer Gefährten, bissen sich an den Rüstungen der Soldaten fest, rissen Helme vom Kopf und bohrten ihre Zähne in nacktes Fleisch. Schreie hallten über den Hof, gemischt mit dem metallischen Jaulen der Custodians und dem gleißenden Blitz ihrer Waffen.

Vanguard stürzte sich mitten ins Getümmel. Mit einer Wucht, die man eher einem Rammbock zuschreiben würde, rammte er zwei Triklin gleichzeitig zu Boden und zerschmetterte sie mit einem einzigen Tritt. Sein Großschwert flammte auf, schnitt blitzschnell durch den Leib eines Angreifers, dessen Blut wie glühende Tropfen auf den Boden spritzte.

Ein Custodian wurde von mehreren Triklin gleichzeitig angesprungen, die sich wie eine lebendige Klette an ihn klammerten. Metall knirschte, Funken sprühten. Vanguard hechtete heran, packte eine der Kreaturen und riss sie in zwei Teile, während die anderen unter einem Hagel aus Soldatenfeuer von dem Koloss gelöst wurden.

Die Schlacht tobte, als gäbe es kein Ende. Überall explodierten Granaten, der Boden war von Kratern übersät und Rauchschwaden vermischten sich mit dem beißenden Gestank verbrannter Körper. Die Nacht war erfüllt vom chaotischen Durcheinander aus Befehlen, Todesschreien und dem ständigen Donnern der Schritte des Custodians.

Und dennoch schien für jeden gefallenen Triklin ein Dutzend neuer aus der Finsternis zu kriechen.

Es war kein Kampf mehr.

Es war ein reiner, unerbittlicher Mahlstrom aus Blut, Feuer und Stahl.

Im Taktikraum herrschte eine fast greifbare Spannung. Präsident Ford stand wie erstarrt da, die Augen auf die flackernden Holoprojektionen gerichtet, die den Kampf vor dem Pentagon zeigten. Überall waren rote Markierungen, feindliche Signaturen, die das Gelände wie eine wuchernde Infektion überzogen. Ward stützte sich mit beiden Händen auf den Tisch, die Finger so fest verkrampft, dass die Knöchel weiß hervortraten.

„Wir verlieren den südlichen Sektor“, meldete ein Offizier mit zittriger Stimme.

„Haltet die Linie, egal wie!“, fauchte Ward.

Vanguard spürte, wie die Welle der Triklin immer wieder gegen ihn und seine Männer prallte. Doch diesmal hatte er nicht nur seine Energieblades. Auf seinem Rücken ruhte das Schwert. Ein uraltes, massives Großschwert, dessen Klinge aus einer Legierung bestand, die selbst in der Ära der Sternenreiche als Relikt galt.

Mit einem fließenden Griff zog er die Waffe, und die Klinge sang ein tiefes, vibrierendes Summen, als sie durch die Luft glitt.

Der erste Schwung trennte drei Triklin gleichzeitig, als hätte er durch nasses Papier geschnitten. Funken und Blutnebel wirbelten um ihn herum. Mit dem zweiten Schlag schlitzte er den Boden auf und schleuderte die Angreifer mit einer Druckwelle wie Spielzeugfiguren zur Seite.

„Vorwärts!“, brüllte Vanguard, und die Section-Shield-Soldaten folgten seinem Vorstoß wie eine Mauer aus Fleisch und Stahl. Die Custodians rückten hinter ihm auf, synchron wie ein einziger metallener Koloss, der die Lücken schloss, die Vanguard schuf.

Jeder Schlag seines Großschwertes öffnete eine Schneise. Die Triklin zögerten und wichen zurück – ein Verhalten, das sie zuvor nicht gezeigt hatten. Ihre chaotischen Angriffe wirkten plötzlich brüchig und unkoordiniert. Vanguard drängte sie Meter um Meter zurück, bis die Verteidigungslinie wieder festen Boden unter den Füßen hatte.

Über den internen Kanal meldete sich Marcus Vale: „Südsektor stabilisiert. Vanguard hat’s unter Kontrolle.“


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