Kapitel 55 - Neue Ordnung
Caleb saß mit Tasha und Malik an einem der abgewetzten Holztische im Repast, ihre Schultern dicht beieinander. Vor ihm schwebte eine kleine, elegant designte Drohne, die kaum größer als eine Handfläche war. Ihre matte Oberfläche reflektierte das spärliche Licht des Raumes und in ihrem Inneren pulsierte ein schwacher blauer Kern – das Herzstück seiner neuesten Erfindung. Er hatte sie in der Größe und im Aussehen einer Wespe angeglichen.
„Sie fliegt, als hätte sie ein eigenes Bewusstsein“, murmelte Caleb mehr zu sich selbst als zu den anderen. Die KI, die er ihr implantiert hatte, war in der Lage, eigenständig Hindernisse zu umfliegen und Entscheidungen zu treffen – fast wie ein Tier mit Instinkt, jedoch geschärft durch präzise Algorithmen. Doch trotz des technischen Erfolgs wollte heute keine rechte Freude aufkommen. Es war zu still. Die sonst so lebhafte Dynamik zwischen den dreien war wie eingefroren, als hätte jemand die Luft mit einem unsichtbaren Schleier der Schwere überzogen. Der Tisch, an dem sie saßen, war einer der wenigen noch unbeschädigten im Gemeinschaftsbereich.
„Vielleicht liegt es an diesem Ort“, dachte Caleb. Seit Jack sich in dieses wütende, unkontrollierbare Wesen verwandelt hatte, das kaum noch menschlich wirkte, und seit Nathaniel mit diesen Regierungsleuten gegangen war, hatte sich etwas verändert.
„Wie läuft’s bei dir, Tasha?“ Calebs Stimme klang vorsichtig, beinahe tastend, während er auf seinem Synect durch die Drohneneinstellungen scrollte. Hologramme flackerten kurz auf, bevor sie sich in schlanken Linien neu ordneten. Tasha verdrehte die Augen und ließ sich in die Lehne zurückfallen. Ihre Bewegungen wirkten müde und frustriert.
„Ich bin genervt. Mächtig genervt“, sagte sie schließlich und blies die Luft durch die Nase aus. „Bei WNN lassen sie mich nur Mini-Berichte schreiben. Immer nur Randnotizen, nichts von Bedeutung. Ich bin nicht ihre Journalistin, ich bin ihr Sklave. Ein kleines Rädchen in einer riesigen Maschinerie, das keine Rolle spielt.“ Caleb zuckte mit den Schultern, sein Blick glitt kurz zu ihr und dann wieder zu seiner Drohne.
„Vielleicht ist das einfach … normal? Am Anfang zumindest.“
„Schön ist anders.“ Ihre Antwort kam schnell, fast schon scharf. Ein Hauch von Wut lag darin, nicht nur über ihren Job, sondern über alles. Malik sagte kein Wort. Er saß aufrecht, den Blick gesenkt, als versuche er, sich so unauffällig wie möglich zu machen. Er war oft still, aber heute war es anders. Caleb bemerkte es, sagte aber nichts. Manchmal war es besser, die Stille einfach stehen zu lassen.
„Hey, lächelt mal! Ich habe euch etwas Leckeres mitgebracht.“ Ihre Stimme klang freundlich, beinah zu fröhlich für diesen Ort. In ihren Händen klirrten drei wiederverwendbare Flaschen mit aromatisierten Getränken, die sie vorsichtig auf dem Tisch abstellte. Es war Michaels Mutter, derselben Frau hatten sie vor einigen Wochen geholfen, als ihr Sohn unter Drogen ins Krankenhaus eingeliefert worden war. Mittlerweile durfte Michael das Krankenhaus verlassen.
Caleb richtete sich ein wenig auf, dankbar für jede Ablenkung vom dumpfen Gewicht der letzten Tage. „Wie geht es ihm?“, fragte er direkt, seine Stimme etwas sanfter als sonst. Vielleicht war es echte Sorge. Die Mutter seufzte und umklammerte die Flasche, die für sie bestimmt war. „Soweit gut … körperlich jedenfalls. Aber psychisch hat ihn das Ganze hart getroffen. Er ist oft abwesend, fast wie … nicht mehr ganz hier.“ Sie zögerte einen Moment. „Deshalb kam er bisher auch nicht mehr ins Repast. Ich glaube, er kann diesen Ort nicht sehen. Noch nicht.“
Im Hintergrund flackerte ein Bildschirm, den sie wie jeden Abend eingeschaltet gelassen hatten. Nachrichten liefen, halb übertönt von den leisen Gesprächen, aber für Caleb trotzdem ein Magnet. Wie so oft ließ er sich ablenken, sein Blick glitt hinüber, während seine Gedanken abschweiften. Eine Reporterin berichtete von Rettungsaktionen in Saint Veronika. Nitechore hatte dort einen Banküberfall verhindert. Man sah Bilder, wie Drohnen über das Geschehen flogen und die Situation überwachten.
Neben Caleb redete Tasha weiter mit Michaels Mutter. Ihre Stimme klang gedämpft, aber engagiert. Sie stellte Fragen, versuchte aufzumuntern und tastete sich dabei wie eine Journalistin heran, die gleichzeitig Freundin sein wollte. Manchmal fiel ihr diese Doppelrolle schwer, doch heute wirkte sie in ihrer Empathie fast natürlich.Malik hingegen saß schweigend da. Seine Bewegungen waren ruhig und fast mechanisch, während er langsam einen seiner Kekse aß, dieselben, die er sich regelmäßig aus dem kleinen Vorratsregal nahm. Er sagte nichts. Er beobachtete nur. Vielleicht dachte er an Michael. Oder an ganz andere Dinge.
Plötzlich durchbrach ein schrilles Tonsignal die träge Ruhe im Raum – eine Eilmeldung. Der Bildschirm wechselte abrupt zu einem Live-Stream aus Blackchester. Die Kamera zitterte leicht, als wäre selbst der Kameramann nervös. Die Übertragung zeigte eine gigantische Halle, ein umfunktioniertes Industriegebäude: düster, rostverkleidet und mit grellem Kunstlicht, das die Szenerie in kaltem Rot ertränkte. Dröhnende Musik vibrierte durch die Wände, eine Mischung aus Marschmusik, Maschinenlärm und verzerrten Stimmen.
Hunderte Menschen standen reglos in Reih und Glied, ihre Haltung war fast militärisch. Sie trugen schneeweiße Anzüge mit blutroten Streifen, akkurat bis zum letzten Faden. Ihre Gesichter waren unter tief ins Gesicht gezogenen roten Mützen verborgen, manche mit grotesken, aufgenähten Smileys, andere mit zähnefletschenden Masken, als hätten sie sich ein Grinsen auf die Stirn genäht. Ihre bloßen Arme waren tätowiert mit Sprüchen wie „Zerfall ist Freiheit“, „Kein Gott, kein König“ oder schlicht „HaHaHa“. Die Schergen wirkten nicht wie Soldaten, sondern wie eine kultische Mischung aus Clowns, Psychopathen und Fanatikern, die sich selbst in der Hölle Beifall spenden würden.Vor ihnen, erhöht auf einer metallenen Plattform, stand er: der selbsternannte Messias des Wahnsinns. Eine rote, metallene Rüstung umhüllte ihn: kantig, glänzend, mit Dornen, die aus seinen Schultern ragten wie die Antennen eines Raubtiers. Auf der Brustplatte war eine durchgestrichene Weltkugel eingraviert, darunter das Wort „Reset“. Seine Stimme hallte durch die Lautsprecher mit einem leicht verzerrten Nachhall, der sich wie ein Echo in den Köpfen der Zuschauer festsetzte.
„Ich begrüße Sie zum großen Neustart.“
Er breitete die Arme aus, als würde er die Welt umarmen oder im nächsten Moment zerdrücken wollen.
„Ich heiße Anarchy.“
Caleb verdrehte innerlich die Augen. „Äußerst kreativ.“
„… und ich bin der Retter dieser Welt. Ich bin das Ende der Lüge. Die Klinge, die das morsche Fleisch dieser faulenden Ordnung aufschneidet. Ihr habt sie gewählt: die Lügner, die Puppenspieler, die Regierenden mit ihrem Gold, ihrer Macht und ihren leeren Versprechen. Und was habt ihr bekommen? Hungerlöhne. Ruinen. Kriege, in denen eure Kinder sterben. Und nun … bekommt ihr mich.“
Anarchy begann zu lachen. Erst leise, dann lauter, bis sein Gelächter wie eine zerbrochene Sirene durch die Halle gellte. Die Schergen begannen, rhythmisch zu stampfen und in unheilvoller Synchronität zu klatschen. Es klang wie eine Kriegstrommel aus einer anderen Realität.
„Wir werden sie alle stürzen: die Politiker, die Wirtschaftselite, die falschen Erlöser mit ihren weißgewaschenen Lügen. Wir werden sie im Feuer, das wir selbst gelegt haben, reinigen. Und aus ihrer Asche ... wird etwas Reineres entstehen. Keine Regierung. Keine Grenzen. Keine Regeln.” Caleb beobachtete die Szene mit wachsendem Unbehagen. „Er klingt komplett irre … aber nicht dumm.“ Es war genau dieser gefährliche Mix aus Wahnsinn und System. Wie ein brennender Schachspieler, der trotzdem jeden Zug berechnet.Anarchy trat näher zur Kamera. Jetzt sah man seine Augen: kalt, wach und doch voller fiebriger Raserei.
„Die Anarchie kann beginnen.“
Die Menge brüllte. Ein kollektiver, rauer, hemmungsloser Schrei. Einige warfen ihre Mützen in die Luft, andere zündeten Fackeln an und schwenkten Banner mit der Aufschrift „Neustart durch Chaos“. Die Kamera wackelte, als sich die Masse in Bewegung setzte.
Caleb saß starr da, während sein Synect Warnmeldungen von überall blinkte. Erste Zusammenstöße in Blackchester, Rauchwolken über dem Industrieviertel.
„Tasha“, murmelte er. „Ich glaube … das ist größer, als wir dachten.“
Die Kamera zitterte, als plötzlich Bewegung in der Halle aufkam. Zwei der Schergen drangen durch die Reihen nach vorn. Sie waren größer und bulliger als die anderen, trugen schwere Stiefel und rote Kampfhelme, deren Visiere aus zersplittertem Glas bestanden. Ihre Anzüge waren mit schwarzem Rauch rußverschmiert. An den Schultern trugen sie metallene Embleme mit dem Symbol von Anarchy: einem stilisierten Totenschädel, über den ein Blitz und der Schriftzug „Ordnung ist Illusion“ gekreuzt waren.
Zwischen ihnen schleiften sie eine Frau. Ihre Füße rutschten über den Boden, ihre Schultern sanken bei jedem Schritt tiefer. Es war die Bürgermeisterin von Blackchester. Ihr Gesicht war blass, das blonde Haar klebte in Strähnen an ihrer Stirn und war mit Blut durchzogen. Eine frische Platzwunde klaffte an ihrer Schläfe; das getrocknete Blut zog sich bis an den Kragen ihrer zerrissenen Bluse. Tränen hatten sich mit Dreck vermischt und bildeten dunkle Schlieren auf ihren Wangen. Ihre Knie gaben nach, als die Schergen sie brutal nach vorne stießen. Sie fiel wie ein leeres Kleidungsstück vor Anarchy auf den Boden.
Anarchy trat langsam auf sie zu. In seiner Hand hielt er einen Energieblaster, der tiefrot und glänzend war und an der Seite leuchtende Pulsadern hatte, als würde das Ding selbst atmen. Sein Umhang wehte leicht, obwohl es in der Halle keinen Wind gab.
„Ah, Blackchesters goldene Stimme“, sagte er mit gespielter Herzlichkeit, während er sich neben sie kniete. „Frau der Demokratie. Mutter der Lüge. Kopf der Problematik.“ Seine Stimme tropfte vor Spott. Dann richtete er sich wieder auf, ging zwei Schritte zurück, hob die Pistole und drehte sie spielerisch in der Hand wie ein Spielzeug.
„Heute werde ich den Kopf der Krankheit abschlagen, die eure Stadt schon zu lange zerfrisst.“
Caleb wusste es. Irgendwann musste es so weit kommen. Blackchester war ein Pulverfass, das über Jahre mit Korruption, sozialen Spannungen und einer maroden Infrastruktur gefüllt worden war. Aber dass es so enden würde, live, ohne Skrupel, mitten im Strom der Weltöffentlichkeit, ließ seinen Magen verkrampfen.
„Noch letzte Worte?“, fragte Anarchy und hielt der Bürgermeisterin das Mikrofon unter die Nase. Sie blickte nicht einmal auf. Ihr Kiefer zitterte. Ihre Lippen bewegten sich, aber es kam kein Ton heraus.
„Schade“, sagte Anarchy, zuckte mit den Schultern und drückte ab.
Ein gleißender Lichtblitz. Dann der dumpfe Knall des Energiegeschosses, das sich mit brutaler Präzision durch ihren Schädel brannte. Ein brennendes Loch klaffte in ihrer Stirn, dampfend, der Rand verschmort. Ihr Körper sackte in sich zusammen. Die Kamera hielt gnadenlos drauf.
Anarchy lachte. Laut. Aufgedreht. Wahnsinnig. Er hob den Blaster wie ein Zepter, blickte zur Kamera und rief: „Kunst! Ein Loch in der Machtstruktur. Ich nenne es ‚Demokratisches Fenster‘!“ Er krümmte sich vor Lachen, während einige seiner Schergen jubelten. Andere begannen, sich um den Leichnam zu versammeln, als wäre er eine Trophäe.
Plötzlich Rauch. Dicht und weiß, schlagartig aus mehreren Richtungen. Es zischte und fauchte, dann gab es einen Knall. Knall. Noch einer. Die Halle wurde verschluckt, als hätte jemand einen Vorhang aus Nebel heruntergerissen.
Im Repast hielt jeder den Atem an. Der Bildschirm flackerte, doch die Kamera hielt noch irgendwo tief im Nebel, verschwommen und schemenhaft. Die Menschen im Raum rückten näher zusammen und rissen die Augen weit auf. Calebs Herz hämmerte. Was war das? Ein Angriff? Eine Rettung? Oder war es einfach der nächste Akt eines Wahnsinnigen, der den Untergang wie ein Theaterstück inszenierte?
Langsam lichtete sich der Rauch. Was sich nun enthüllte, ließ das Murmeln der Menge zu einem verwirrten, unheilvollen Gemurmel anschwellen …
Die Kamera hatte sich neu fokussiert. Plötzlich war die Bühne des Grauens nicht mehr nur Schauplatz eines Mordes, sondern eines tobenden, glühend heißen Gefechts. Truppen von Section Shield in schwarzen, taktischen Exoanzügen mit blauen Leuchtelementen waren wie eine Speerspitze aus Ordnung und Präzision in die Halle eingedrungen. Mit Blendgranaten, Schildmodulen und elektrifizierten Schlagstöcken gingen sie auf die Schergen los. Innerhalb von Minuten wurden viele der rot gekleideten Wahnsinnigen zu Boden gezwungen, mit Handschellen aus synthetischer Faser gefesselt oder durch präzise gesetzte Betäubungspfeile betäubt.
Doch im Zentrum des Chaos, wo die Luft flirrte und Wut auf Kontrolle traf, entfaltete sich ein Kampf, der mehr war als nur ein Duell: Er war Symbol, Eskalation, Feuer.
Anarchy stand schwer atmend und blitzend im grellen Licht der Kameras, seine rotglühende, metallische Rüstung funkelte. Gegenüber stand ein unbekannter Kämpfer, ganz in Schwarz, ohne sichtbare Rüstung, lediglich mit einem engen, gepanzerten Kampfanzug aus einer Legierung und fingerlosen Handschuhen.
Er bewegte sich mit Präzision. Kein überflüssiger Schritt. Kein Atemzug zu viel. Er war wie eine Waffe, die nur noch Instinkt war.
Anarchy stürmte vor. Die Schritte seiner Servomotoren dröhnten schwer durch die Halle. Sein rechter Arm schnellte vor, als wollte er einen Haken ausführen, der Beton hätte brechen können. Doch der Fremde duckte sich im letzten Moment, rollte über die Schulter und versetzte Anarchy im gleichen Schwung einen Ellbogenschlag in die Rippen.
Ein metallisches Krachen. Anarchys Rüstung wankte. Er knurrte.
„Wer zur Hölle bist du?!“, schrie er lautstark.
Der Held antwortete nicht. Stattdessen wirbelte er herum, trat Anarchy gegen das Knie und brachte ihn damit leicht aus dem Gleichgewicht. Dann setzte er mit einem präzisen Faustschlag gegen die Helmseite nach. Die Wucht des Schlages ließ Funken sprühen. Anarchy taumelte. Sein Visier zeigte nun einen Haarriss.
„Ich bin nicht hier für deinen Applaus“, murmelte der Unbekannte und ging wieder in Position.
Anarchy konterte, indem er seine Energieblades an beiden Unterarmen ausfuhr. Es waren zwei glühende Klingen, die ein sirrendes Geräusch von sich gaben. Er schlug nach dem Helden, der sich mit bloßen Händen verteidigte. Metall traf auf Metall, Funken regneten zu Boden. Der linke Arm des Unbekannten fing einen der Hiebe ab und blockte die Energie mit einem Zischen. Dann setzte er zu einer Konterbewegung an, eine Serie aus Schlägen, Tritten und Kniestößen. Schnell, hart, perfekt.
Tasha zitterte leicht und flüsterte: „Wer … ist das?“
Anarchy versuchte, den Gegner mit einem Schulterstoß zu Boden zu werfen, doch der Held wich geschickt aus, nutzte den Schwung und brachte Anarchy mit einem Griff an Hals und Bein ins Wanken. Anarchy fiel schwer auf den Rücken, der Boden vibrierte. Doch sofort richtete er sich wieder auf und röchelte vor Wut.
„Du bist nichts ohne deinen Anzug!“, brüllte er und schleuderte eine Granate.
Der Held trat sie im Flug zurück. Die Granate detonierte zwischen den Schergen, und eine Druckwelle riss mehrere von ihnen zu Boden. In der Zwischenzeit nutzte der Kämpfer das Chaos, sprang auf Anarchy zu und verpasste ihm einen mächtigen Uppercut mit dem rechten Arm direkt unters Kinn.
Der Aufprall ließ Anarchy nach hinten fliegen. Seine Rüstung krachte gegen eine Säule. Ein Riss zog sich durch die Brustplatte. Rauch stieg auf.
Der Held trat näher, seine Brust hob und senkte sich ruhig. In seinem Blick war weder Triumph noch Hass zu erkennen. Nur Entschlossenheit.
Anarchy spuckte Blut. „Du … denkst, das hier ist vorbei?“, knurrte er.
Der Held sagte nichts. Nur seine Fäuste antworteten.
Ein weiterer Schlag. Diesmal traf er Anarchys Seite, wo seine Energiezelle saß. Ein Funken. Ein Zucken.
„Das war eine Warnung“, sagte der Fremde leise. „Beim nächsten Mal schalte ich dich ab.“
Der Bildschirm flackerte kurz und die Verbindung wurde instabil. Die Kamera zeigte noch, wie weitere Section-Shield-Einheiten die Bühne stürmten, während Anarchy regungslos am Boden lag, zwischen Trümmern und seinem eigenen Wahnsinn. Der Stream flackerte erneut. Ein Schnitt, ein neuer Ort, diesmal klar und ruhig: ein Pressepodium mit der Flagge der Vereinigten Republik im Hintergrund. Davor stand ein Mann mit brauner Haut, sehr kurzen Haaren, scharfen Gesichtszügen und einem ruhigen, autoritären Blick. Die Kamera zoomte heran. Caleb erkannte ihn sofort. Jeder erkannte ihn.
Alexander Marston. Oder, wie die Nachbarschaft ihn nannte: Mace.
Sein Ruf war ihm vorausgeeilt. Er war Staatsanwalt und Beschützer der POC-Bevölkerung von Blackchester.
Er hob die Hand und hieß die Menge vor Ort sowie die Millionen vor den Bildschirmen willkommen. Seine Stimme war ruhig, beinah weich, aber voller Gewicht.
„Bürgerinnen und Bürger“, begann er, „heute Nacht haben wir einen Einblick in das Chaos bekommen, das sich unbemerkt in unsere Gesellschaft gefressen hat. Was Sie gesehen haben, war nur ein Bruchteil der Fäulnis, die Blackchester und andere Städte bedroht.“
Er machte eine kurze Pause. Kein Teleprompter. Kein Zögern.
„Doch lassen Sie mich klarstellen: Wir sind nicht allein. Ich stehe heute nicht als Politiker, sondern als Mensch hier. An meiner Seite steht jemand, der die Republik aus den Schatten verteidigt. Jemand, den Sie heute im Einsatz gesehen haben.“
Auf einem Screen hinter ihm erschien das Standbild des geheimnisvollen Kämpfers, der Anarchy niedergerungen hatte. Keine Namensnennung. Kein Titel. Nur ein Codename erschien in Rot: „Republic Agent“.
„Er ist nicht Teil einer Armee“, fuhr Mace fort. „Er ist ein Symbol für das, was wir sein könnten, wenn wir Mut, Integrität und Opferbereitschaft vereinen. Gemeinsam mit den Truppen von Section Shield, die heute das Schlachtfeld gesichert haben, werden wir die öffentliche Ordnung zurückbringen. Nicht mit Angst. Sondern mit Klarheit.“
Er hob eine Faust.
„Wir schlagen zurück. Für Blackchester. Für die Republik. Für uns alle.“
Im Repast brandete Jubel auf. Die wenigen Menschen, die sich dort eingefunden hatten, klatschten laut, einige schrien sogar. Caleb sagte nichts. Stattdessen wanderte sein Blick zu Tasha. Sie stand ein paar Schritte entfernt und wirkte nachdenklich. Dann sah sie kurz zu ihm und machte eine kaum sichtbare Bewegung mit den Fingern. Sie wollte mit ihm unter vier Augen sprechen.
Er nickte nur stumm. Die Euphorie der Menge glitt an ihm vorbei wie Wind. Malik tippte ihm auf die Schulter. „Gehen wir? Ich habe für heute genug Wahnsinn gesehen.“
Caleb stand auf. „Tasha und ich ... Wir sehen uns in den nächsten Tagen, Bruder.“
Gemeinsam verließen sie das Repast. Draußen war die Luft kühl und der Himmel tiefblau. Tasha ging leicht voraus, ihre Haltung angespannt. „Herakles hat sich gemeldet. Wir sollen zu diesen Koordinaten kommen.“
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