Kapitel 52 - Ewigkeit

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Mit einem sanften Ruck kam das schwarze Skidcar zum Stehen. Lautlos glitt es über die glänzenden Energieleitungen der Vigorgel, bis es direkt vor dem imposanten Glasbau des Wissenschaftszentrums zum Stehen kam. Die untergehende Sonne tauchte den Himmel in ein rötlich-goldenes Licht, das sich wie in einem Kaleidoskop aus Stahl und Glas in den hohen, spiegelnden Fassaden brach.

Die silberne Tür des Skidcars öffnete sich lautlos und Präsident George Ford stieg mit ernster Miene aus. Seine Bewegungen waren kontrolliert, fast mechanisch, als wäre jeder Schritt vorherbestimmt. Sein Blick war hart, die Stirn in Falten gelegt. Direkt hinter ihm stiegen sein Assistent John Pendrick und sein persönlicher Leibwächter Bartholomew Burrow aus. Beide Männer wirkten angespannt, obwohl sie äußerlich die Ruhe selbst waren.

„Wir sind hier, Sir“, sagte Burrow mit ruhiger Stimme. Die Worte waren überflüssig, aber er sprach sie trotzdem, vielleicht auch, um seine eigene innere Unruhe zu besänftigen.

„In der Tat“, antwortete Ford knapp, fast tonlos, während sein Blick über das weitläufige Gelände schweifte. Die Anlage war auffallend steril. Es war nicht das erste Mal, dass er diesen Ort betrat, aber jedes Mal fühlte es sich gleich an. Die kalten Wände aus Glas und Metall schienen ihn nicht willkommen zu heißen, sondern eher abzuschirmen von dem, was sich in den verborgenen Tiefen dieses Komplexes abspielte.

Ein hochgewachsener Wachmann, makellos in Uniform und mit tadelloser Haltung, trat wortlos auf die Gruppe zu und bedeutete ihr, ihm zu folgen. Ihre Schritte hallten in den leeren, endlos scheinenden Korridoren wider, als würden sie von den Wänden zurückgeworfen. Das Licht war gleichmäßig und klinisch kalt. Kein Geräusch, kein Lebenszeichen außer ihnen.

Nach einigen Minuten der Stille blieb der Wachmann schließlich vor einer unscheinbaren Stahltür stehen, so schlicht, dass man sie fast übersehen konnte. Er beugte sich vor und tippte eine präzise Zahlenfolge in das digitale Eingabefeld an der Wand. Ein leises Klicken ertönte, gefolgt von einem gedämpften Zischen. Langsam glitt die Tür zur Seite.

"Hier entlang, bitte“, sagte der Wachmann mit einer Stimme, der jede Regung fehlte.

Ford erwiderte den Blick des Mannes nicht. Er nickte nur knapp, trat über die Schwelle in den Raum dahinter und verschwand in der Dämmerung aus Glas und Licht. Bartholomew Burrow folgte ihm dicht auf den Fersen, John Pendrick einen Herzschlag später. Als sich die Tür hinter ihnen schloss, war das letzte Geräusch das leise Zischen der Druckluft und dann: vollkommene, beklemmende Stille.

Der geheime Bereich des Wissenschaftszentrums unterschied sich radikal von den gläsernen Korridoren, lichtdurchfluteten Hallen und der sterilen Eleganz des restlichen Komplexes. Hier unten, abgeschirmt von neugierigen Blicken und fernab vom Herzen des Gebäudes, regierte die Funktionalität über die Ästhetik. Alles wirkte zweckmäßig.

Der Gang, den sie betraten, war kaum breiter als zwei nebeneinander gehende Männer. Über ihren Köpfen flackerten in regelmäßigen Abständen schwach leuchtende Streifen und warfen ein trügerisches Licht auf die Wände aus rohem Beton. Hier gab es keine Fenster, keine Verzierungen, keine Begrüßung, nur eine durchdringende Stille, die vom leisen Summen elektronischer Systeme unterbrochen wurde.

„Cure erwartet uns bereits“, sagte Pendrick mit gedämpfter Stimme, als sie tiefer in das Innere der Anlage vordrangen. Sein Blick huschte wachsam über die Schatten in den Ecken, als erwarte er jeden Moment etwas Unerwartetes. Wie immer war er sichtlich verunsichert.

Nach ein paar weiteren Schritten blieb er stehen. Eine massive, stahlgraue Panzertür ragte vor ihnen auf, schwer und unbeweglich wie ein Bollwerk gegen die Außenwelt. Ein kurzes elektronisches Piepen ertönte, als Pendrick seinen Zugangscode eingab, und mit einem tiefen Grollen schob sich die Tür zur Seite. Dahinter offenbarte sich ein großer, kreisrunder Raum, dessen Atmosphäre sich sofort von der kargen Umgebung unterschied.

Der Raum lebte, wenn auch nicht im menschlichen Sinne. Überall an den Wänden reihten sich Monitore, Steuerpulte, kybernetische Schnittstellen und Kontrollkonsolen. Holografische Projektionen flimmerten über Glasflächen, Maschinen surrten, klickten und pulsierten wie die Organe eines mechanischen Wesens. Alles schien in einem exakt getakteten Rhythmus zu funktionieren, als sei der Raum selbst ein denkendes System.


Inmitten dieses orchestrierten Chaos aus Licht und Technik stand ein hochgewachsener, schlanker Mann in einem blütenweißen Laborkittel. Als sie eintraten, wandte er sich ihnen zu, seine Bewegungen präzise und kontrolliert. Er kam ein paar Schritte näher, sein Blick war kalt und durchdringend.

„Präsident Ford, Mr. Burrow, Mr. Pendrick“, begrüßte er sie mit einem knappen Nicken und einer kaum merklichen Verbeugung. Seine Stimme war ruhig, fast sanft, und doch lag eine Schärfe in ihr, die verriet, dass er nichts dem Zufall überließ. „Willkommen zurück."

„Cure“, erwiderte Ford knapp. Er verzichtete auf jede Form der Höflichkeit, sein Gesicht war wie aus Stein gemeißelt, sein Blick durchbohrte den Wissenschaftler. „Was ist mit John Doe?“


Einen Moment lang schwieg Cure, die Stirn leicht gerunzelt, als müsse er die Antwort wie eine komplizierte Gleichung abwägen. Dann sagte er langsam: „Er ist noch nicht ganz fertig. Die Integration seines kognitiven Schemas erweist sich als weitaus komplexer, als wir zunächst angenommen hatten. Es gibt Instabilitäten im neuronalen Netz, die ... schwer vorherzusagen sind. Wir brauchen mehr Zeit, um die notwendige Synchronisation zu erreichen“.

Fords Miene verfinsterte sich. Mit langsamen Schritten näherte er sich Cure und blieb direkt vor ihm stehen. Die Spannung zwischen den beiden Männern war fast greifbar.

„Mehr Zeit?“, wiederholte Ford gefährlich leise. „Sie haben den Zeitrahmen bereits um Monate überschritten. Ich brauche keine Entschuldigungen, Cure, ich brauche Ergebnisse. Jetzt.“

Cure sah ihn lange an, dann neigte er leicht den Kopf, nicht unterwürfig, sondern mit der Gelassenheit eines Mannes, der sich seiner Position bewusst war. „Ich verstehe Ihre Ungeduld, Herr Präsident. Aber was wir hier schaffen, ist kein einfacher Code, keine gewöhnliche Maschine. Es ist ein Bewusstsein aus Fragmenten, eine künstliche Identität mit organischer Resonanz. Wenn wir die letzten Schritte überstürzen, riskieren wir einen katastrophalen Rückschlag. Alles, woran wir so lange gearbeitet haben, könnte zusammenbrechen.“ Pendrick blickte unsicher zwischen den beiden hin und her.

Bevor Ford antworten konnte, trat Bartholomew Burrow zu ihm. Er legte ihm beruhigend die Hand auf den Arm, seine Stimme war beschwichtigend, aber bestimmt. „Sir, wir sind fast fertig. Wenn Cure sagt, dass er mehr Zeit braucht, dann sollten wir ihm die geben. Ein Fehler in dieser Phase wäre nicht nur teuer, sondern fatal.“

Für einen Moment scheint die Zeit still zu stehen. Nur das monotone Piepen eines Herzfrequenzmonitors irgendwo im Hintergrund durchbricht die Stille. Dann nickte Ford langsam, den Blick auf Cure gerichtet. Es war keine Zustimmung, es war eine letzte Warnung.

Ford schwieg. Einen langen Moment lang sagte er nichts, starrte Cure unverwandt an, als wollte er durch seine Maske hindurchsehen, auf den Grund seiner Absichten. Die Luft zwischen ihnen war still, gespannt wie ein Drahtseil. Schließlich, nach einem Atemzug zu viel, nickte er langsam. "Okay, bringt unser Experiment nach Alasteria. Jonah Carina wurde schon zurückgerufen und steht bereit, sich um das Problem zu kümmern." Cure sah schockiert aus. " Herr prä... Präsident...", er stockte. "Er braucht die nötigen Fähigkeiten." Ford grinste. "Carina hat die nötigen Fähigkeiten und ich denke, wir sollten ihr die Chance geben. Um die anderen Aufgaben kümmern Sie sich." Cure nickte nur.

„Sehr gut“, sagte Ford leise. Doch obwohl seine Stimme kaum über ein Flüstern hinausging, hatte sie die Schärfe eines Skalpells. Cure verbeugte sich kaum merklich, sein Lächeln war verhalten, aber seine Augen schienen zu funkeln. „Natürlich, Herr Präsident“, sagte er mit seiner gewohnten ruhigen Höflichkeit und machte eine theatralische Pause, „ich habe noch etwas für Sie. Etwas, das Sie interessieren könnte.“

Ford hob eine Augenbraue, ließ sich aber nicht zu einer Frage hinreißen. Er wartete ab.

„Die Essenz des Aeternum“, verkündete Cure schließlich, die Stimme von unverhohlener Begeisterung getragen.

Ford wiederholte die Worte langsam, als koste er jeden Laut aus: „Die Essenz ... des Aeternum“.

Er trat an den massiven Schreibtisch aus schwarzem Glasstahl, seine Bewegungen kontrolliert, fast zeremoniell. Sein Blick fiel auf den versiegelten Koffer, der darauf wartete, geöffnet zu werden.

„Ist alles bereit?“, fragte er, ohne sich umzudrehen. Diesmal klang seine Stimme fester, entschlossener. „Genau so, wie ich es verlangt habe?“

Cure trat neben ihn, seine Finger ruhten sanft auf dem Kofferdeckel, als würde er eine kostbare Reliquie berühren. „Nur unter Vorbehalt“, sagte er. „Wir konnten Harringtons ursprüngliches Serum nicht rekonstruieren. Es war zu komplex, zu instabil. Was Sie hier sehen, ist der letzte brauchbare Rest, gereinigt, konzentriert, aber ... vergänglich. Wenn wir es nicht bald verwenden, wird es seine Wirkung verlieren.“

Ford schloss für einen Moment die Augen, als wolle er das Gewicht dieser Worte prüfen. Dann öffnete er sie wieder, seine Entschlossenheit stand ihm ins Gesicht gemeißelt.

„Bartholomew“, sagte er plötzlich, ohne den Koffer aus den Augen zu lassen. Seine Stimme klang jetzt fest, unmissverständlich ein Befehl, keine Bitte. „Sie bekommen das Serum.“


Bartholomew erstarrte. Ein eisiger Schauer lief ihm über den Rücken, während sich seine Gedanken überschlugen. „Entschuldigen Sie, Sir“, begann er schließlich zögernd, seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern, aber getragen von einem leisen, unerschütterlichen Trotz. „Ich ... ich glaube, das ist eine Verschwendung an mir.“

Langsam, fast mechanisch wandte Ford sich ihm zu. Seine Augen waren kalt, funkelten wie erstarrtes Glas. „Das war kein Vorschlag, Bartholomew“, erwiderte er mit tonloser Schärfe.

Bartholomew schluckte schwer. Seine Kehle war trocken wie Papier, seine Hände zitterten, während er sie unbewusst vor sich hob, als könnte er sich so vor dem drohenden Sturm schützen. „Sir, ich habe Ihnen all die Jahre treu gedient“, sagte er, seine Stimme nun etwas fester. „Ich habe Befehle ausgeführt, auch wenn ich innerlich daran zerbrochen bin. Ich habe geschwiegen, beobachtet, verstanden. Aber das ...“ Er hob den Kopf und begegnete Fords Blick, ohne zurückzuweichen. „Ich kann das nicht tun. Ich werde es nicht tun.“

Ein Moment purer Spannung lag in der Luft. Bartholomew spürte, wie ihm der Schweiß über die Schläfen rann. Instinktiv trat er einen Schritt zurück, als würde ihn etwas Unsichtbares zurückdrängen. Sein Herz trommelte laut und fordernd gegen seine Rippen, als er die Kälte in Fords Blick erkannte, eine Kälte, die nicht menschlich war.

„Bartholomew“, sagte Ford. Seine Stimme war jetzt ruhiger, aber diese Ruhe war trügerisch, gefährlich. In jeder Silbe lag eine Drohung, laut und tödlich wie das Zischen einer Schlange. Er machte einen Schritt auf ihn zu. „Ich wiederhole mich nicht.“

Bartholomew spürte, wie der Boden unter ihm zu schwanken schien. Die Luft schien dicker geworden zu sein, schwer, fast erstickend. Seine Lippen bewegten sich, aber es kam kein Ton heraus. Dann, kaum hörbar: „Sir ... ich ... ich kann nicht.“


Plötzlich streckte Ford die Hand aus und packte Bartholomews Kopf mit einer sanften Berührung. Seine Finger legten sich sanft auf seine Schläfen.

Bartholomews Augen weiteten sich, sein Atem stockte.

„Du wirst es schaffen, Bartholomew“, sagte Ford mit düsterer Eindringlichkeit. „Ich habe volles Vertrauen in dich.“

Ein Moment des Schweigens. Dann: „Ja, Sir“, hauchte Bartholomew plötzlich. Die Worte kamen glatt und klar, als hätte er nie gezögert. Seine Stimme war jetzt leer, befreit von den Zweifeln, die ihn zuvor beherrscht hatten. Seine Augen blickten geradeaus und sahen nichts mehr.

In der Ecke des Zimmers stand Cure. Seine Hände zitterten, kaum sichtbar, aber spürbar. Er zwang sich zur Ruhe, zwang seine Gedanken in geordnete Bahnen. „Sehr gut“, murmelte er mechanisch, dann drehte er sich abrupt um. Er musste sich beeilen. Die Vorbereitungen duldeten keinen Aufschub, keine weiteren Einwände.


In der Mitte des Raumes geschah etwas Unerwartetes. Lautlos und mit fast unheimlicher Eleganz schob sich eine unscheinbare Bodenplatte zur Seite, offenbar von einem unsichtbaren Mechanismus in Bewegung gesetzt. Aus der nun geöffneten Öffnung erhob sich langsam ein technischer Kokon, als sei er aus den Tiefen eines schlafenden Systems erwacht. Die Konstruktion war komplex und zugleich von erhabener Ästhetik, ein Meisterwerk aus poliertem Metall, gebürstetem Chrom und gebogenem Sicherheitsglas. Im Zentrum der Konstruktion befand sich eine ergonomisch geformte Wanne, die exakt der menschlichen Anatomie angepasst war und wie ein moderner Sarkophag den Empfänger des Serums aufnahm.

Unzählige feine Kabel schlängelten sich durch das Innere des Kokons, verbunden mit winzigen Sensoren und Knotenpunkten, die bei Aktivierung mit einem kaum hörbaren elektrischen Flüstern surrten. Ein fahler Lichtimpuls durchzog das Gerät, ein stummer Beweis für seine Betriebsbereitschaft. Es war, als würde die Maschine atmen.

Cure trat ohne Eile an das zentrale Steuerpult. Mit ruhiger Hand griff er nach dem schwarzen Sicherheitskoffer, der dort in einer eingelassenen Vertiefung stand. Ein leises Klicken ertönte, als sich das Schloss entriegelte. Behutsam öffnete er den Deckel, in dem, sorgfältig fixiert, eine einzelne Ampulle ruhte. Die Flüssigkeit darin war silbrig, von überirdischer Konsistenz und schimmerte in wechselnden Nuancen, als würde das Licht in ihr lebendig. Die Essenz des Aeternum. In ihrem Kern wirkte sie organisch, pulsierend, wie das flüssige Leben selbst.

Mit äußerster Präzision hob Cure die Ampulle an und setzte sie in eine durchsichtige Halterung im Inneren des Kokons. Sofort begannen kleine mechanische Greifarme, die Substanz zu fixieren. Ein leises, synthetisches Summen ertönte, während das System die Stabilität des Serums analysierte. Sekunden später bestätigte ein leises Zischen den Abschluss der automatischen Kalibrierung, alles war bereit.

Cure richtete sich auf, atmete tief durch und warf einen kurzen Blick zu Ford, dessen Gesicht in einem Anflug von Anspannung verharrte. Dann sprach er mit ruhiger, aber bestimmter Stimme: „Mr. Burrow“, sagte er und fixierte Bartholomew mit ernstem Blick, „bitte legen Sie sich jetzt in den Kokon. Es ist so weit.“

Bartholomew Burrow bewegte sich wie in einem Traum. Kein Zögern, kein Widerstand. Seine Schritte waren langsam, fast feierlich, als er auf die geöffnete Apparatur zuging. Mit einer kontrollierten Bewegung ließ er sich in die Mulde gleiten, die ihn nahtlos umschloss, als wäre sie genau für seinen Körper entworfen worden. Kaum hatte er die ideale Position erreicht, schlossen sich die metallenen Armlehnen. Mechanisch, aber nicht aggressiv umschlossen sie seine Handgelenke und Knöchel wie eine zweite Haut.

Ein sanftes, kaltes Licht durchdrang den Kokon, tastete seine Haut ab und projizierte Daten auf transparente Bildschirme, die in der Luft über dem Kokon erschienen. Das System begann, Bartholomews Vitalfunktionen zu scannen. Alles bereitete sich auf den Augenblick vor, der nun unausweichlich näher rückte.

Cure trat an die zentrale Steuerkonsole, vor der eine Reihe holografischer Bildschirme in kühlem Blau aufleuchtete. Darauf flimmerten Bartholomews Vitalparameter: Herzfrequenz, Hirnaktivität, Zellregeneration, Wärmesignaturen. Alles schien stabil, ja fast ideal. Die Werte hielten sich in einem beunruhigend perfekten Gleichgewicht, als wäre Bartholomew bereits kein gewöhnlicher Mensch mehr.

„Ich beginne jetzt mit der Verabreichung“, sagte Cure mit ruhiger Stimme, obwohl seine Finger ein wenig zu schnell über die Eingabefläche glitten. Mit einer fließenden Bewegung aktivierte er die Injektoren.

Die kleine, schimmernde Ampulle mit der Aeternum-Essenz, einer silbrig-violetten Flüssigkeit, die im Licht fast lebendig wirkte, wurde langsam in das komplexe Injektionssystem eingespeist. Mikrodünne Schläuche transportierten das Serum zu den Verteilern, von wo aus sich Dutzende von Nanoinjektoren präzise unter Bartholomews Haut bohrten. Einen Moment lang war nur ein leises Summen zu hören.

Dann zuckte sein Körper. Nur leicht, aber spürbar. Das Serum, ein Produkt jahrelanger Forschung und ethisch fragwürdiger Wissenschaft, strömte in seinen Blutkreislauf. Es breitete sich mit atemberaubender Geschwindigkeit aus, pulsierte wie lebendiges Licht, das durch ein unterirdisches Netz raste. Innerhalb von Sekunden war es überall: im Nervensystem, in den Muskeln, im Gehirn.

Auf den Monitoren begannen die Kurven zu tanzen. Werte schossen in die Höhe, andere fielen abrupt ab und pendelten sich wieder ein. Bartholomews Herz raste, seine Atemfrequenz verdoppelte sich. Seine Muskeln spannten sich an, als würden sich tief im Zellgewebe unzählige mikroskopisch kleine Prozesse neu ordnen. Seine Pupillen reagierten auf unsichtbare Reize. Das Serum durchdrang alles, strukturierte das Gewebe neu, optimierte die neuronalen Verbindungen, entfaltete seine volle, noch nicht ganz verstandene Kraft.

Cure beobachtete das Geschehen mit angehaltenem Atem. Es war jedes Mal anders. Unvorhersehbar. Und dieses Mal war es intensiver.

Im Hintergrund war Burrows Schrei zu hören, verzerrt, dumpf, aus einem anderen Raum, als wolle er die ganze Station durchdringen. Aber Cure ließ sich nicht ablenken. Seine Augen blieben auf die Zahlen gerichtet, auf die Veränderungen, auf Bartholomews Gesicht.

Dann Stille. Ein letztes, tiefes Aufflackern auf dem Monitor. Dann stabilisierten sich die Werte.

Ein metallisches Klicken durchbrach die gespannte Stille. Mit einem Zischen öffnete sich die Klappe des Kokons. Langsam hob sich der massive Metalldeckel, als hielte der Raum selbst den Atem an. Kalter Nebel quoll heraus, senkte sich über die Plattform und kroch wie ein Lebewesen über den Boden. Das Licht wurde weicher, bläulicher, als würde die Umgebung die Verwandlung respektvoll begleiten.

Cure und Ford blieben reglos stehen. Ihre Gestalten wirkten plötzlich klein vor dem geöffneten Kokon.

Bartholomew bewegte den Kopf, erst langsam, dann entschlossener. Seine Augenlider zuckten, öffneten sich. Er blinzelte nicht. Seine Augen waren klar, zu klar. Kein Flackern von Verwirrung, kein Anzeichen von Schmerz. Nur Präsenz.

Er richtete seinen Blick auf Ford, hielt ihn lange fest. Einen Moment, der länger dauerte, als Worte es ausdrücken könnten.

Ford wandte sich an Cure. „Teste ihn.“

Cure nickte nur stumm, immer noch beeindruckt von der Geschwindigkeit der Veränderung.

Dann wandte sich Ford an Pendrick, der mit verschränkten Armen am Rand stand. „Sie wissen, was Burrow bekommen soll. Organisieren Sie es.“

Pendrick zuckte kaum merklich mit dem Kopf, sein Gesicht blieb ausdruckslos. Er wusste, was das bedeutete.

Ford ging wieder zu Cure, seine Stimme war fest, fast drängend: „Burrow muss in drei Tagen im Pentagon sein.“

Cure runzelte die Stirn, überrascht von der Eile, nickte aber gehorsam.

Ohne weitere Erklärung verließ Ford mit Pendrick den Raum. Leise fiel die Tür hinter ihnen ins Schloss.

Nur Cure und Bartholomew blieben zurück.


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