Kapitel 29 - Mace

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Das Dröhnen der Schläge gegen die Boxsäcke hallte durch die Trainingshalle, gemischt mit den rhythmischen Anweisungen von Malik, der einem anderen Teilnehmer korrigierende Hinweise zur Körperhaltung gab. Tasha war in ihrem Element, ihre Bewegungen waren präzise und fließend. Jeder Schlag, jeder Tritt war Ausdruck von Disziplin und Konzentration und eine Möglichkeit, den Stress des Tages abzubauen.   

Sie war mitten in einer Serie schneller Kombinationen, als sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm. Sie drehte sich um, immer noch in Kampfhaltung, und sah einen großen, kräftig gebauten Mann im Eingangsbereich stehen. Alexander 'Mace' Marston. Sein Maßanzug hob sich deutlich von seiner Trainingskleidung ab, aber seine entspannte Haltung und sein leichtes Lächeln verrieten, dass er sich hier so wohl fühlte wie in einem Gerichtssaal.  

„Mace?“ Tasha ließ die Fäuste sinken und sah ihn überrascht an. „Was machst du denn hier?“  

Mace kam langsam näher, seine Präsenz wie immer beeindruckend. „Ich dachte, ich komme mal vorbei. Du hast mir so begeistert von deinem Training erzählt, da wollte ich sehen, ob du wirklich so gut bist, wie du behauptest.“  

Tasha verschränkte die Arme und zog eine Augenbraue hoch. „Und? Enttäuscht?“  

„Noch nicht.“ Ein verschmitztes Lächeln huschte über sein Gesicht, bevor er sich umsah. „Ziemlich beeindruckend hier. Hat etwas ... roheres als die Fitnessstudios, an die ich gewöhnt bin.“  

„Das hier ist kein Fitnessstudio“, erwiderte Tasha mit Stolz in der Stimme. „Das ist ein Ort, an dem du wirklich lernst, was in dir steckt.“  

Mace nickte anerkennend und sah zu Malik hinüber, der kurz zu ihnen herüberblickte, bevor er sich wieder seinem Schüler zuwandte. „Das scheint dein Trainer zu sein. Du hast nicht übertrieben, er hat wirklich Ahnung.“  

„Das hat er.“ Tasha wischte sich den Schweiß von der Stirn und griff nach ihrer Wasserflasche. „Aber was führt dich wirklich hierher? Ich kann mir nicht vorstellen, dass du einfach spontan beschlossen hast, dir ein Kickboxtraining anzusehen.“  Mace klang sehr ernst. „Alles in Ordnung?“, fragte sie, spürte aber schon die Schwere in seinem Ton.

Mace trat näher, hielt aber Abstand. „Tasha, ich habe gehört, du arbeitest jetzt bei WNN.“ Seine Stimme klang ernst, aber verletzlich. „Warum denn? Warum ausgerechnet dort?“

Tasha zuckte die Schultern und versuchte, ihre Stimme leicht klingen zu lassen. „Es ist eine Chance, Mace. Ich wollte schon immer Journalistin werden, und WNN ist ein großer Name. Natürlich hat der Sender ... sagen wir mal, einen umstrittenen Ruf. Aber es ist ein Fuß in der Tür.“

Mace schüttelte langsam den Kopf, die Stirn in tiefe Falten gelegt. „Ein Fuß in der Tür zu was? Zu einem System, das nur darauf aus ist, Geschichten auszuschlachten? Glaubst du wirklich, du kannst dort die Wahrheit sagen?“

Tasha hielt inne, sein Blick ließ sie zittern. Diese Gedanken hatte sie selbst schon gehabt, aber immer wieder verdrängt. „Ich weiß, was du meinst“, gab sie zu. „Aber ich glaube, ich kann etwas verändern. Vielleicht von innen heraus.“

„Von innen heraus?“, wiederholte Mace mit einem bitteren Lachen. „Tasha, das ist kein idealistischer Debattierklub. WNN verkauft Dramen, keine Wahrheiten. Und du bist mehr wert als das.“ 

Sie wandte den Blick ab, unsicher, was sie antworten sollte. Seine Worte trafen sie, mehr als sie zugeben wollte. Schließlich sagte sie: „Ich verstehe, dass du dir Sorgen machst, aber ich muss meinen eigenen Weg finden.“

Mace sah sie lange an, bevor er den Kopf senkte. „Das tue ich. Ich mache mir Sorgen. Du bist eine Kämpferin, Tasha. Und das meine ich nicht nur im wörtlichen Sinne. Du hast ein Feuer, das ich bei so wenigen Menschen sehe. Ich will nicht, dass es von einer Maschinerie wie WNN erstickt wird.“

Sein Ton war ernst geworden, und Tasha spürte, dass er noch mehr sagen wollte, aber er hielt es zurück. Stattdessen hob sie wieder die Fäuste und grinste. „Wie wär’s, wenn du mitmachst, anstatt nur Ratschläge zu geben?“  

Mace zog eine Augenbraue hoch, die Lippen zu einem humorvollen Lächeln verzogen. „Glaubst du, du könntest gegen mich gewinnen?“  

„Das finden wir nur heraus, wenn du es versuchst.“  

Malik kam in diesem Moment mit verschränkten Armen näher und blickte zwischen ihnen hin und her. „Ich hätte nichts dagegen, jemanden wie dich auf die Matte zu schicken“, sagte er mit einem schiefen Grinsen zu Mace.  

Mace lachte herzlich und hob die Hände zu einer abwehrenden Geste. „Vielleicht ein anderes Mal. Ich habe heute nichts zum Wechseln dabei.“  

Tasha verdrehte die Augen. „Entschuldigung.“  

„Nenn es, wie du willst.“ Mace gab ihr einen leichten Klaps auf die Schulter. „Aber mach nur weiter so. Ich bin beeindruckt.“  

Malik nickte nur und ging zu den anderen zurück, während Tasha noch einen Moment auf der Bank sitzen blieb. Ihre Gedanken kreisten weiter, aber irgendwo tief in ihrem Inneren spürte sie, dass sie noch nicht bereit war, aufzugeben. Nicht jetzt. Nicht, solange es noch eine Chance gab, die Welt ein bisschen besser zu machen.  
Die Tür zum Trainingsraum öffnete sich erneut mit einem leisen Quietschen und Caleb trat mit seinem typischen breiten Grinsen ein. „Hey, Tasha, Malik hat mir erzählt, dass du hier bist. Ich dachte, ich schaue mal vorbei, bevor ich nach Hause gehe.“ Er hielt inne, als er Mace bemerkte, der entspannt an der Wand lehnte, die Arme vor der Brust verschränkt. „Oh, Mace. Was machst du denn hier?“

Mace richtete sich mit ruhiger, aber aufmerksamer Miene auf. „Ich bin gekommen, um Tasha zu besuchen. Ich wusste nicht, dass ich dich hier treffen würde, Caleb.“

Caleb setzte sich neben Tasha auf die Bank und warf ihr einen neugierigen Blick zu. „Also, worüber habt ihr euch unterhalten?“, fragte er beiläufig, doch seine Augen suchten nach Antworten.

„Nichts wichtiges“, antwortete Tasha ausweichend und zog sich die Handschuhe von den schweißnassen Händen. Sie wollte das Gespräch von ihren Sorgen ablenken.

Mace ließ sich nicht beirren. „Tasha ist gut im Ausweichen, nicht nur im Ring“, sagte er trocken und wandte sich Caleb zu. „Eigentlich ist es gut, dass du hier bist. Ich habe etwas, das dich interessieren könnte.“



Caleb zog eine Augenbraue hoch. „Ach? Was denn?“

Mace kam näher und setzte sich ebenfalls auf die Bank, seine große Statur dominierte den Raum. „Ich habe neulich mit einem Freund gesprochen, der für Pretorius-Tech in der Entwicklung arbeitet. Die suchen junge Ingenieure, die kreativ und anpassungsfähig sind. Deine Fähigkeiten könnten da gut passen.“

Calebs Gesicht veränderte sich, sein typisches Grinsen wich einem Ausdruck von Überraschung und ein wenig Skepsis. „Ein Job? Bei Pretorius-Tech?“ Er schüttelte langsam den Kopf, als wolle er sich vergewissern, dass er richtig gehört hatte. „Das ist ... unerwartet.“

„Nicht wirklich“, gab Mace zurück. „Ich kenne deinen Hintergrund. Du bist klug, talentiert, und ich wette, du hast es satt, dich in Tashas Schatten zu verstecken.“ Seine Worte waren freundlich, aber es schwang eine unterschwellige Herausforderung mit.

Caleb lachte nervös und warf Tasha einen raschen Blick zu, doch ausnahmsweise hielt sie sich zurück. Stattdessen musterte sie Mace mit einer Mischung aus Verwunderung und Misstrauen. 

„Also, was genau ist das für ein Job?“, fragte Caleb schließlich. Seine Stimme klang vorsichtig, aber auch neugierig.

„Forschung und Entwicklung bei Pretorius-Tech, hier in Blackchester“, antwortete Mace direkt. „Man arbeitet an Projekten, die technologische Innovation mit praktischen Anwendungen verbinden. Du wirst nicht nur hinter einem Schreibtisch sitzen. Es ist eine Chance, deine Ideen in die Realität umzusetzen.“

Caleb lehnte sich zurück, seine Gedanken schienen zu rasen. „Das klingt ... interessant. Aber ich weiß nicht.“

„Denk doch mal drüber nach“, schlug Mace vor. „Du musst dich nicht sofort entscheiden. Aber solche Gelegenheiten bieten sich nicht oft. Und du solltest dir überlegen, was du erreichen könntest.“ Er stand auf und klopfte Caleb freundschaftlich auf die Schulter. „Du hast Potenzial, Caleb. Vergeude es nicht.“

Mit diesen Worten verabschiedete sich Mace und seine Anwesenheit ließ den Raum für einen Moment stiller werden. Tasha blieb neben Caleb sitzen, die Arme vor der Brust verschränkt.

Es war ein typisches Gespräch mit Mace wie immer sehr intensiv“, murmelte Caleb mit gerunzelter Stirn. „Was meinst du, Tasha? Soll ich darüber nachdenken?“

„Das liegt ganz bei dir“, sagte sie schließlich. „Aber vergiss nicht, wer du bist und was du wirklich willst. Mace mag klug sein, aber er hat seine eigenen Gründe. Als Staatsanwalt hat man immer Ziele.“

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