Kapitel 31 - Lanes

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Das holografische Spielfeld schwebte leicht über dem kleinen Tisch in Nathaniels Zimmer, seine leuchtenden Farben tanzten über die Wände, während sich Champions und Gegner in Echtzeit bewegten. Nathaniel saß auf dem Boden, die Beine übereinandergeschlagen, eine Hand lässig auf dem Knie abgelegt, während die andere mit einer flinken Bewegung eine Falle stellte. Caleb, der neben ihm saß, stützte sein Kinn in die Hand und musterte die Lanes mit konzentriertem Blick.

„Okay, ich setze Void Walker auf die mittlere Lane“, sagte Nathaniel und zog die Karte durch die Luft. Wie von Zauberhand glitt sie auf das Spielfeld, und augenblicklich erschien die schlanke, in Schatten gehüllte Gestalt des Magiers. Der Void Walker hob die Hände, und eine violette Energie wogte über die Lane, verlangsamte die heranstürmenden Gegner. 
„Schon wieder der Void Walker?“ Caleb zog eine Augenbraue hoch und grinste schief. „Ich schwöre dir, Nate, du hast wirklich keine Fantasie. Der Typ ist übermächtig, ja, aber langweilig.“
Nathaniel schnaubte und ließ sich zurückfallen, den Rücken an die Bettkante gelehnt. „Langweilig? Das sagt der Typ, der immer Blitzbeast spielt. Man spammt nur Angriffe und hofft, dass alles explodiert.“
„Hey, Blitzbeast hat Stil!“ Caleb winkte ab und platzierte seinen Champion mit einer geschickten Handbewegung auf der oberen Lane. Der schnelle Nahkämpfer materialisierte sich in einer elektrischen Funkenwolke. „Außerdem braucht man Können, um ihn effektiv zu spielen.“

„Können?“ Nathaniel schnaubte. „Das ist fast so lächerlich wie deine Vorliebe für Anime.“ 
„Ach, komm schon!“ Calebs Stimme schwoll an und er sah Nathaniel mit gespielter Entrüstung an. „Dragon Clash Eternal ist ein Klassiker! Du hast einfach keinen Sinn für wahre Kunst.“
Nathaniel verdrehte die Augen, konnte sich aber ein Lächeln nicht verkneifen. „Ein Klassiker? Mann, der Anime ist älter als unsere Eltern. Und dieses Kamehameha-Zeug - ich meine, wirklich? Das war schon peinlich, als es neu war.“
„Peinlich? Das sagt der Typ, der Void Walker spielt und aussieht, als wolle er selbst zaubern, wenn er seine Hand bewegt!“ Caleb ahmte eine dramatische Geste nach und schnalzte mit der Zunge.
Nathaniel lachte laut auf und schüttelte den Kopf. „Du bist unmöglich.“ Doch dann wanderten seine Augen zurück zum Spielfeld, wo Void Walker gerade seine ultimative Fähigkeit einsetzte. Ein violetter Riss tat sich zwischen den Gegnern auf und verschlang sie in einer Flut aus Dunkelheit. „Aber sieh dir das an. Sag, was du willst, Caleb. Void Walker ist Kunst.“
„Wenn du das sagst.“ Caleb zuckte mit den Schultern, während er Blitzbeast nach vorne sprinten ließ. Der Champion landete mitten in einer Gruppe von Gegnern, und elektrische Explosionen durchzogen die Lane. „Aber Kunst hin oder her, ich wette, ich habe mehr Kills als du.“
„Oh, das werden wir ja sehen.“ Nathaniel beugte sich vor, die Augen auf das holografische Spielfeld gerichtet. Seine Finger flogen durch die Luft, als er eine Buff-Karte aktivierte, die Void Walkers Reichweite erhöhte.

Caleb lehnte sich mit einem lauten Seufzer zurück und ließ die Hände sinken. Blitzbeast wirbelte über die Lane, bereit für einen neuen Angriff, doch Caleb wirkte abwesend, sein Blick war vom Spielfeld abgewandt. Nathaniel bemerkte die Veränderung sofort.  
„Was ist los?“, fragte er, während er mit einer schnellen Geste einen Heilungs-Buff auf Void Walker aktivierte. Der violette Magier schwebte elegant weiter über die Lane. „Du bist plötzlich völlig neben der Spur.“  
Caleb zuckte mit den Schultern, ein Gesichtsausdruck, den Nathaniel nur zu gut kannte, eine Mischung aus Unsicherheit und Nervosität. „Mace hat mir ein Angebot gemacht.“  
Nathaniel zog eine Augenbraue hoch und ließ die Hand in der Luft verharren. „Ein Angebot? Was denn für eins?“  
„Einen Job.“ Caleb drehte sich zu ihm um, seine Hände spielten nervös mit einer leeren Kartenhülle. „Er hat gesagt, er könnte mich bei Pretorius Tech unterbringen, das ist so ein Name. Klingt ziemlich cool.“  
Nathaniel sah seinen Freund skeptisch an. „Und warum klingst du, als wärst du dir nicht sicher, ob du das cool findest? Das sind doch die, die durch den Klimawandel so viel verändert haben.“  
"Weil ich es nicht bin." Caleb ließ die Kartenhülle fallen und fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. „Ich meine, es ist Mace. Der Typ ist ... na ja, du weißt schon. Er hat immer diesen ‘Ich weiß alles besser’-Vibe, als hätte er die Weisheit mit Löffeln gefressen.“  
Nathaniel nickte langsam. „Ja, das stimmt. Aber er meint es gut. Das Angebot klingt gar nicht so schlecht. Warum denkst du überhaupt darüber nach?“  

„Weil ich hier bin, Nate.“ Caleb deutete auf das Zimmer, das Spielfeld, die vertraute Umgebung. „Mir gefällt mein Leben so, wie es ist. Natürlich hört sich ein cooler Job gut an, aber ...“  
„Aber?“ Nathaniel verschränkte die Arme vor der Brust.  
„Ich habe das Gefühl, er will mich nur da rausholen, weil er sich Sorgen macht.“ Caleb sah ihn direkt an. „So wie er sich Sorgen um den Job von Tasha bei WNN macht.“  
Nathaniel schnaubte und wandte den Blick ab, aber er spürte, wie sich seine Schultern anspannten. „Mace macht sich immer Sorgen. Das ist sein Ding. Er glaubt, er kann die ganze Welt retten, wenn er nur genug Leute auf seine Seite ziehen kann.“  
„Vielleicht hat er ein bisschen recht“, erwiderte Caleb vorsichtig.  
Nathaniel seufzte und ließ sich gegen die Bettkante sinken. „Mace sollte sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern. Aber hey, wenn du das Angebot annehmen willst, dann tu es. Du bist ein verdammt guter Techniker, Caleb. Du könntest es wirklich schaffen.“  
Caleb lächelte schwach. „Danke, Mann. Ich denk drüber nach.“  
Plötzlich blinkte das Spiel auf und eine Ansage ertönte: „Letzte Gegnerwelle!“ Die beiden Freunde blickten aufs Spielfeld, und für einen Moment war das Gespräch vergessen, als sie sich gemeinsam darauf konzentrierten, die Lanes zu verteidigen. 
„Nathaniel“, begann Caleb zögernd, „wir müssen auch über dich reden.“
Er runzelte die Stirn und lehnte sich in seinem Sessel zurück, die Arme entspannt über die Lehne gelegt. „Über mich? Was ist mit mir?“
Caleb hob eine Augenbraue und ließ ein leises, fast nervöses Lachen hören. „Es geht um ... nun ja, um deine Fähigkeiten. Ich habe darüber nachgedacht.“
Nathaniel spürte, wie sich ein Knoten in seinem Magen bildete. Es war ihm nicht ganz geheuer, über seine Kräfte zu sprechen, auch wenn er wusste, dass Caleb ihm nur helfen wollte. „Was ist mit ihnen?“, fragte er vorsichtig.
Caleb setzte sich aufrechter hin und sah ihn ernst an. „Deine Fähigkeit, dich selbst mit Licht zu heilen, Nathaniel ... das ist außergewöhnlich. Es gibt nicht viele wie dich, die solche Kräfte haben. Und deine Energiewellen, sie sind mächtig.“
Nathaniel wich ihrem intensiven Blick aus und starrte zu Boden. „Ich weiß“, murmelte er. „Aber ich will sie nicht missbrauchen. Es fühlt sich falsch an, sie für Gewalt einzusetzen.“
Caleb schüttelte langsam den Kopf. „Es geht nicht darum, sie für Gewalt zu nutzen, sondern sie zu verstehen und zu kontrollieren. Deine Kräfte könnten so viel bewirken, nicht nur für dich, sondern auch für andere."
„Ich weiß nicht...“, sagte er leise, „es ist nicht so, als hätte ich eine Gebrauchsanweisung für das, was ich tun kann. Es passiert einfach, und manchmal... manchmal habe ich Angst, es falsch zu machen.“
Caleb beugte sich vor, seine Stimme wurde sanfter. „Nathaniel, niemand erwartet von dir, dass du alles perfekt machst. Aber du musst es versuchen. Deine Kräfte sind ein Geschenk, und wenn du sie versteckst, lässt du dieses Geschenk ungenutzt. Denk an all die Menschen, die du retten könntest.“
Nathaniel sah ihn an, seine Worte hallten in seinem Kopf wider. Er wusste, dass er recht hatte, aber ein Teil von ihm konnte die Zweifel nicht loswerden. „Was, wenn ich jemanden verletze?“, fragte er schließlich. „Was, wenn ich versuche zu helfen und alles nur noch schlimmer mache?“
Caleb legte eine Hand auf Nathaniels Schulter, seine Stimme klang warm und ermutigend. „Das Risiko besteht immer, Nate. Aber wir sind hier, um dich zu unterstützen. Du musst nicht alles alleine machen.“
„Okay“, sagte er schließlich mit fester Stimme. „Ich weiß nicht, wie ich anfangen soll, aber ... ich werde es versuchen.“

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