Kapitel 21 - Pizza Prosciutto

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Das gedämpfte Licht im Sciopare verlieh dem Raum eine intime, familiäre Atmosphäre. In der schweren Luft hing der Geruch von Knoblauch, frischen Kräutern und teurem Rotwein. Samuel saß aufrecht mit ruhigem Blick am Tisch. Ihm gegenüber saß Isaac Owen, in einem perfekt sitzenden Anzug und mit einer teuren Armbanduhr, die wahrscheinlich mehr wert war als der gesamte Inhalt der Küche.

„Also, Samuel“, begann Isaac mit charmanter Stimme, „ich muss sagen, Pretorius Tech läuft erstaunlich gut. Die Zahlen, die ich letzte Woche gesehen habe, sprechen für sich.“

Samuel nickte knapp, nahm einen Schluck von seinem Wasser und ließ seinen Blick unauffällig durch den Raum schweifen. Sciopare. Ein Ort, der so viel Macht ausstrahlte wie die Menschen, die ihn kontrollierten. Keine Mafiafamilie hielt ihre Fassade so makellos wie die Sciopares. Es war Isaac gewesen, der auf diesem Treffpunkt bestanden hatte.

„Wir haben hart dafür gearbeitet, dass es so bleibt“, antwortete Samuel schließlich mit neutraler Stimme.

Isaac lehnte sich zurück, ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen. „Und doch sieht man dich kaum auf den gesellschaftlichen Bühnen der Stadt. Warum so zurückgezogen? Ein Mann mit deinen Leistungen sollte sich doch öfter zeigen.“


Samuel ignorierte die Bemerkung. „Ich ziehe es vor, meine Arbeit für sich selbst sprechen zu lassen. Aber ich nehme an, das ist nicht der Grund, warum wir uns hier treffen.“

Isaacs Augen funkelten, als er sich über den Tisch beugte. „Immer auf den Punkt, so wie ich es mag. Du hast recht. Wie zufrieden bist du mit Erik Schmidt?“

Samuel hob eine Augenbraue. „Wie kommst du denn darauf? Grundsätzlich sehr zufrieden.“

Isaac lächelte. „Ich werde aus Erik einfach nicht schlau. Verstehst du?“

„Ich verstehe. Ich muss auch noch aufholen, was in den letzten zehn Jahren passiert ist. Ich hatte mehr Kontakt zu den Standorten auf der ganzen Welt. Das operative Geschäft hat Erik übernommen“, sagte Samuel schließlich.

Isaac grinste breit, als hätte er genau diese Antwort erwartet. „Ich halte viel von dir. Samuel. Ich wünschte nur, du wärst, sagen wir, genauso wachsam.“

Samuel nahm einen weiteren Schluck Wasser, ließ die Worte sacken und überlegte, was er als Nächstes tun sollte.

Während Isaac Owen weitersprach, trat ein Mann in einem makellosen Maßanzug an den Tisch. Seine Anwesenheit machte den Raum noch stiller, als er ohnehin schon war. Samuel erkannte ihn sofort als Don Sciopare, das Oberhaupt der Familie, nach der das Restaurant benannt war.

„Samuel Palmer“, sagte der Don mit einem warmen Lächeln, das die Schärfe in seinen Augen nicht verbergen konnte. „Es ist schon eine Weile her, dass ich einen Palmer in meinem Restaurant gesehen habe.“ Er ignorierte Isaac völlig.

Samuel erhob sich, streckte ihm die Hand entgegen und nickte respektvoll. „Don Sciopare. Es ist lange her.“

Der Don ließ sich auf einen freien Stuhl sinken und betrachtete Samuel mit einer Mischung aus Wehmut und Interesse. „Deine Eltern ... sie waren gute Menschen. Ich habe sie wirklich geliebt. Dein Vater war einer der ehrlichsten Männer, die ich kenne. Deine Mutter war so warmherzig und klug. Es war eine Schande, sie so früh zu verlieren.“ Der Don machte Isaac plötzlich unsichtbar.

„Danke, Don. Sie hätte sich gefreut, das von Ihnen zu hören.“

Der Don nickte langsam, seine Augen blieben auf Samuel gerichtet. „Du hast ihren Geist geerbt, weißt du das? Einen starken Willen, der sich nicht beugen lässt. Aber sei vorsichtig, Samuel. Wir brauchen einen Palmer in dieser Stadt.“ Der Don stand wieder auf, nickte Isaac kurz zu und ging zu einem Kellner. "Bitte nur das Beste für Palmer." Dieser nickte.

"Ha, du bist wirklich beliebt, Mann." lachte Isaac. Samuel zog ein wenig die Augenbrauen hoch. Wenn Isaac nicht so aktiv gewesen wäre, Anteile von Pretorius Tech zu kaufen, wäre Samuel nie hierher gekommen. "Die Stadt ist alt und die Familien, die sich hier niedergelassen haben, sind es auch." Isaac lächelte, als sein Gericht serviert wurde. "Ja, ich bin erfolgreich, aber auf so einen Namen kann ich nur neidisch sein." Auch Samuel schaute auf seine einfache Pizza, die ihm hingestellt wurde. Eine einfache Pizza mit Prosciutto. Der Gedanke, wie einfach man ihn glücklich machen konnte, erheiterte Samuel. Sie aßen, die Gespräche blieben oberflächlich und Samuel hasste es.

Nach dem Essen machte sich Samuel zu Fuß auf den Heimweg. Seine Gedanken kreisen um Isaacs Worte. Seine Anteile an Pretorius Tech? Samuel wusste, dass das nicht nur ein geschäftlicher Schachzug war. Isaac hatte Verbindungen, er konnte Aufträge generieren, aber für wen eigentlich?

In einer dunklen Gasse wartete Tavin auf ihn.

"Ich habe in Isaacs Fahrzeug ein Überwachungssystem installiert", erklärte Tavin.

Samuel nickte. "Gut. Ich will wissen, was ein so wichtiger Aktionär meiner Firma treibt."

Plötzlich blitzten Messer in der Dunkelheit auf. Fünf Gestalten mit Rattenmasken tauchten auf. Tavin ging in Kampfstellung. 

Ein Rat stürmte auf ihn zu, das Messer auf Samuels Seite gerichtet. Samuel riss den Arm hoch, blockte den Angriff mit dem Unterarm ab und trat blitzschnell zu. Der Angreifer taumelte, doch bevor er sich fangen konnte, packte Samuel sein Handgelenk, verdrehte es und zwang ihn, das Messer fallen zu lassen. Mit einem kräftigen Wurf schleuderte er den Mann gegen eine rostige Mülltonne. Metall schepperte laut durch die Gasse.

Zwei weitere Rats griffen gleichzeitig an. Samuel durchschaute die Taktik, sie wollten ihn von beiden Seiten bedrängen. Der erste schwang sein Messer in einer wilden, schnellen Bewegung. Samuel duckte sich, wich aus und trat dem Angreifer mit voller Wucht gegen das Knie. Ein dumpfes Knacken ertönte, und der Mann brach keuchend zusammen. Der andere kam von der Seite, das Messer in Brusthöhe. Samuel wich einen Schritt zurück, ließ den Schwung ins Leere laufen und konterte mit einem gezielten Faustschlag gegen die Schläfe. Der Rat brach bewusstlos zusammen.

Der vierte Rat brüllte und schwang sein Messer in einer wilden, unkontrollierten Bewegung. Samuel erkannte die Wut, aber auch die Unsicherheit in seinen Bewegungen. Er wich zurück, lockte ihn in eine ungeschützte Position und landete einen sauberen, krachenden Haken in den Kiefer. Der Gangster taumelte, spuckte Blut und sank auf die Knie.

Der letzte Rat sah, dass die Lage aussichtslos war. Blut rann aus einer Wunde an seinem Arm, vermutlich von einem Streifschuss während des Kampfes. Mit einem Fluch drehte er sich um und rannte davon, seine Schritte hallten in der dunklen Gasse wider.

Samuel atmete schwer und ließ seinen Blick über die besiegten Angreifer schweifen. "Heute nur Zuschauer", sagte er und blickte zu Tavin, der schon bereitstand. "Ich habe die Lage analysiert. Sie waren überlegen." Samuel lachte kurz auf. "Nur Ausreden von dir. Bleib hier, Tavin!“, rief Samuel und sprintete los. Er rannte durch enge Gassen, über niedrige Mauern, wich umgestürzten Kisten und streunenden Katzen aus. Er war schnell, aber die Panik machte seine Bewegungen hektisch. Samuel behielt ihn im Auge, sah, wie er in ein altes, verlassenes Lagerhaus eilte.

Samuel blieb kurz vor dem Eingang stehen, drückte sich an die Wand und lauschte. Keuchende Atemzüge drangen aus dem Inneren, das dumpfe Scharren von Schuhen auf dem Boden. Er aktivierte seine Nitechore-Rüstung und trat ein.

Die Halle war riesig und dunkel, nur von einer einzigen flackernden Neonröhre erhellt. Schatten tanzten über die rostigen Metallregale, in denen alte Kisten und Maschinen standen. Der verwundete Rat hockte keuchend an einem Tisch, die Hand auf eine klaffende Wunde an seiner Seite gepresst. Blut tropfte langsam auf den staubigen Betonboden, während sich sein Brustkorb hektisch auf und ab bewegte.

An den Wänden hingen Karten, digitale Pläne, handgeschriebene Notizen. Zerknitterte Ausdrucke zeigten schematische Darstellungen von Lagerhäusern, markierte Routen und Namen. Er trat näher, zog eine der Notizen unter einem rostigen Werkzeug hervor und überflog die krakelige Schrift. Ein Name tauchte immer wieder auf: "V". Darunter kryptische Notizen, die auf Verbindungen zur Mafia, zu einem Politiker und zur Firma Setech hinwiesen.

Samuel spürte, wie sein Herz klopfte. Das war kein gewöhnliches Versteck einer Straßengang. Das war eine Operationsbasis, vielleicht sogar eine Kommandozentrale. Die Rats waren mehr als nur Kleinkriminelle, sie waren Schachfiguren in einem viel größeren Spiel. Wer war „V“? Wer steckte wirklich dahinter?

Er griff nach einem Tablet, das auf einem der Tische lag, und aktivierte den Bildschirm. Die Oberfläche war mit Sicherheitssperren versehen, aber Tavin trat neben ihn und scannte das Gerät mit einem kurzen Blick. „Ich kann das umgehen. Gib mir eine Minute.“

Samuel nickte und wandte sich dem verletzten Rat zu, der ihn mit einer Mischung aus Angst und Wut anstarrte. „Wer ist V?“, fragte er mit ruhiger, aber bestimmter Stimme.

Der Mann hustete, spuckte Blut und lachte bitter auf. „Du kommst zu spät, Palmer. Viel zu spät.“ Der Verwundete brach zusammen und hörte auf zu atmen.


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