Kapitel 7 - Einsatzteam

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Die Stunden auf Streife zogen sich in die Länge, der eisige Hauch des Winters drang selbst durch die dicken Wände des Streifenwagens. Sabine und Corbin fuhren schweigend durch die trostlosen Straßen von Saint Veronika. Die Stadt schien sich endgültig in die Dunkelheit zurückgezogen zu haben, als sie schließlich in den frühen Morgenstunden zum Kommissariat zurückkehrten. Die Wärme des Vigorgels durchbrach die dichte Schneedecke auf den Straßen, über die die Skidcars schwebten.

Als sie aus dem Skidcar ausstiegen und durch die schweren Glastüren in das warme Innere des Kommissariats traten, war es Corbin, der die Stille durchbrach. Er schob seine Mütze ein wenig höher, um seine grauen Augen zu zeigen, und wandte sich Sabine zu. „Weißt du, Sabine“, begann er fast väterlich, „ich muss dir etwas sagen. Dein Drang, dich immer an die Regeln zu halten, ist ja schön und gut, aber hier in Saint Veronika kommst du damit nicht weit. Wenn du wirklich etwas bewegen willst, musst du lernen, wie das Spiel hier läuft. Manchmal geht es nicht darum, was richtig ist, sondern was funktioniert.“ Sabine blieb stehen und sah ihn an. „Verdammt, du hast stundenlang nichts gesagt, weil dich das seit gestern nicht mehr loslässt? Und was schlägst du vor, Corbin? Dass ich mich korrumpieren lasse, nur weil das hier die Norm zu sein scheint?“ Er zuckte die Schultern, ein kleines zynisches Lächeln auf den Lippen. „Ich sage nur, dass die Stadt dich verschlingt, wenn du nicht bereit bist, dich anzupassen. Regeln sind hier oft nur ein Hindernis. Du kannst versuchen, sie zu befolgen, aber am Ende stehst du allein da.“ Sabine wollte ihm antworten, ihm klarmachen, dass sie nicht bereit war, ihre Prinzipien aufzugeben, aber bevor sie etwas sagen konnte, drehte Corbin sich um und verschwand in den Gängen des Präsidiums. Als sie endlich ihr Büro erreicht hatte und die Tür hinter sich schloss, ließ sie sich auf ihren Stuhl fallen und starrte eine Weile ausdruckslos auf den Schreibtisch vor sich. Die Akten, an denen sie gerade gearbeitet hatte, lagen noch dort, aber ihre Gedanken waren weit weg. Sie schaute sie an und war schockiert, dass eigentlich alles digitalisiert war, aber die blöden Akten immer noch aus Papier waren. Sabine atmete tief durch und griff nach einem Stift, dann nahm sie ein leeres Blatt und machte sich ein paar Notizen über den Tag, um später ihren Bericht zu schreiben. Sorgfältig faltete sie den Zettel zusammen und steckte ihn in die Innentasche ihrer Jacke. Dann stand sie auf, richtete ihre Uniform und verließ den Raum. Plötzlich meldete sich ihr Synect. „West, ins Büro des Chefs“, kam die kurze Anweisung von der Sekretärin des Chefs, ihre Stimme kühl und professionell. Sabine runzelte die Stirn. Es war ungewöhnlich, so früh direkt ins Büro des Chefs gerufen zu werden. Der lange Flur, der zum Büro führte, kam ihr heute länger vor als sonst. 


Als sie endlich vor der schweren Holztür des Büros stand, klopfte sie leise an und trat ein, nachdem eine tiefe Stimme „Herein“ gerufen hatte. Chief Robert Harris, ein Mann in den späten Fünfzigern mit grau meliertem Haar und einem harten, aber gerechten Gesichtsausdruck, saß hinter seinem imposanten Schreibtisch. Der Raum war groß, die Wände mit alten Polizeiuniformen und Auszeichnungen geschmückt, die Harris im Laufe seiner langen Karriere gesammelt hatte. „Sabine“, begrüßte er sie mit einem unerwartet warmen Lächeln. „Setzen Sie sich.“ 
Sabine tat wie ihr geheißen und setzte sich auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch. Ihr Chef warf ihr einen prüfenden Blick zu, bevor er fortfuhr. 

„Ich habe Ihre Arbeit in den letzten Monaten aufmerksam verfolgt“, begann er und schlug eine Akte vor sich auf. „Sie haben sich als fähig, zielstrebig und vor allem als jemand erwiesen, der vor den Herausforderungen, die Saint Veronika mit sich bringt, nicht zurückschreckt. “
Sabine spürte, wie sich ihre Anspannung langsam löste und sich eine leichte Erleichterung breit machte. „Danke, Sir“, sagte sie bescheiden. Harris nickte und schloss die Akte. „Ich habe ein Angebot für Sie. Wir stellen gerade ein Spezialteam zusammen, um eine Reihe mysteriöser Vorfälle in der Stadt zu untersuchen. Ihre Leistung gestern Abend hat mich überzeugt, dass Sie perfekt in dieses Team passen.“ Sabine hob überrascht eine Augenbraue. Eine Spezialeinheit? Das war Ehre und Herausforderung zugleich. „Ich fühle mich geehrt, Sir“, sagte sie. „Worum genau geht es in diesem Team?“ Harris lehnte sich in seinem Stuhl zurück, seine Augen schienen in Gedanken versunken. „Heute Morgen wurden zwei Leichen gefunden, die ... nun, sie unterscheiden sich von allem, was wir bisher gesehen haben. Die Umstände ihres Todes und die Spuren am Tatort deuten darauf hin, dass hier etwas sehr Ungewöhnliches vor sich geht.“ Er hielt kurz inne, um die Wirkung seiner Worte zu prüfen, bevor er weitersprach. „Wir vermuten, dass es Verbindungen zu einer Reihe ähnlicher Fälle gibt, die sich in den letzten Monaten ereignet haben. Deshalb brauche ich ein Team, das nicht nur Erfahrung und Verstand mitbringt, sondern auch bereit ist, über den Tellerrand hinauszuschauen.“ Sabine nickte, das Interesse in ihren Augen wuchs. „Wer wird noch zu diesem Team gehören?“ Harris räusperte sich leicht, als wolle er sich auf das Kommende vorbereiten. „Zunächst einmal Richard Corbin. Ich weiß, Sie hatten Ihre ... Differenzen mit ihm, aber er ist ein erfahrener Polizist und kennt die dunklen Ecken dieser Stadt besser als jeder andere.“ Sabines Miene versteinerte für einen Moment, aber sie blieb ruhig und professionell. „Verstanden, Sir. Und die anderen? “„Dann haben wir noch Sebastian Scott“, fuhr Harris fort, „unseren technischen Spezialisten. Er ist ein Genie, wenn es um alles Digitale und Technische geht. Er wird uns helfen, die Arbeit mit unseren Drohnen und das digitale Arbeiten zu verbessern.“ „Und schließlich Amber Silver“, schloss Harris. „Sie ist Profilerin und hat in den vergangenen Jahren geholfen, einige sehr komplizierte Fälle zu lösen. Ihre Fähigkeit, in die Psyche von Tätern einzudringen, ist beeindruckend. “Sabine nickte erneut, ihre Gedanken rasten. Das klang nach einem starken Team, auch wenn Corbins Anwesenheit eine Herausforderung für sie sein würde. „Wann fangen wir an, Sir?“ Harris lächelte leicht und beugte sich vor. „Sofort. Wir dürfen keine Zeit verlieren. Ich möchte, dass Sie sich mit dem Team im Besprechungsraum treffen. Die Akten liegen dort bereits, und ich werde Ihnen weitere Anweisungen geben.“ Sabine stand auf, das Gefühl einer neuen, wichtigen Aufgabe lastete schwer auf ihren Schultern. „Ich werde mein Bestes tun, Sir.“ „Das weiß ich, Sabine“, antwortete Harris und sah ihr direkt in die Augen. „Deshalb habe ich mich ja auch für Sie entschieden. Viel Erfolg.“

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